Das Mittagessen ist ein wesentlicher Bestandteil des Ganztagsbetriebs. Foto: dpa

Vom Ziel, 70 Prozent der Schulen auf Ganztagsbetrieb umzustellen, ist das Land weit entfernt. Im Juni will das Kultusministerium deshalb ein neues Konzept präsentieren.

Stuttgart - Vom kommenden Schuljahr an wird es in Baden-Württemberg 470 Grundschulen mit Ganztagsbetrieb geben. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat jetzt 31 Grundschulen und fünf Grundstufen an Förderschulen Ganztagsangebote genehmigt. Auch fünf weiterführende Schulen werden in den Ganztagsbetrieb einsteigen. Damit wächst die Anzahl der Ganztagsschulen weit geringer als die Landesregierung dachte, als sie 2014 den Ganztagsbetrieb an Grundschulen ins Schulgesetz aufnahm.

Die damaligen Regierungsparteien erwarteten, dass bis zum Jahr 2023, also innerhalb von zehn Jahren, 70 Prozent der Grundschulen auf Ganztagsbetrieb umstellen würden. Jetzt, vier Jahre nach der Gesetzesänderung, sind es nur gut 17 Prozent. Sollte die Erwartung eintreffen, müsste das Land dem Städtetag zufolge jetzt bei 50 Prozent stehen.

Nur wenige Schulen stellen völlig um

Grundschulen können komplett auf Ganztag umstellen oder parallel die Halbtagsschule anbieten. Dann können Eltern und Schüler wählen. Sie müssen sich aber auf die Dauer eines Schuljahres festlegen. Ganztagsschulen ohne Wahlmöglichkeit sind nach Auskunft einer Sprecherin von Kultusministerin Eisenmann gegenwärtig nur 33 von knapp 400 Grundschulen. Unter den neu genehmigten ist es nur eine.

Die Ministerin betont, „Ganztagsschulen bieten Schülern vielfältige Möglichkeiten, ihre Potenziale zu entfalten. Deshalb bauen wir das Angebot an Ganztagsschulen weiter aus und zwar dort, wo die Familien sie wünschen und brauchen.“ Sandra Boser, die bildungspolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, bekennt sich zur Ganztagsschule. Sie sei „ein zentrales Instrument für den Ausgleich von Bildungschancen und für mehr Bildungsgerechtigkeit“. Sie biete Schüler unabhängig von der sozialen Herkunft optimale und kostenlose Lern- und Förderangebote.

SPD vermisst Qualitätsansprüche

Die im Südwesten inzwischen oppositionelle SPD dagegen beklagt: „Der Qualitätsanspruch eines rhythmisierten Bildungsangebots ist von Kultusministerin Susanne Eisenmann genauso aufgegeben worden, wie das Ziel eines flächendeckenden Ganztagsangebots.“ Der SPD-Bildungsexperte Daniel Born vermisst in der Genehmigungspraxis des Ministeriums „jeden qualitativen Gestaltungsanspruch“.

Gegenwärtig finanziert das Land nur die gebundene Ganztagsschule, also verpflichtende Angebote. Dafür gibt es zusätzliche Lehrerstunden. Deren Gegenwert können sich Schulen auch auszahlen lassen und damit sportliche oder musische Angebote finanzieren. Bis zur Hälfte der zusätzlichen Stunden lassen sich so „monetarisieren“. 18 der neu genehmigten Ganztagsschulen wollen die Möglichkeit der Monetarisierung nutzen, so das Ministerium.

Eisenmann arbeitet an neuer Konzeption

Kultusministerin Eisenmann lässt gegenwärtig die Ganztagskonzeption überarbeiten. Es wird überlegt, ob das Land wieder in die Finanzierung von flexiblen Betreuungsangeboten, etwa von Horten, einsteigt. Bei einem Fachtag am 18. Juni werden laut Eisenmann die neuen Konzepte vorgestellt. Dann sollen auch Qualitätskriterien und eine Fortbildungskonzeption für den Ganztag präsentiert werden.

Die FDP-Fraktion fordert neben der verbindlichen auch die offene Ganztagsschule. Bei der offenen Ganztagsschule findet der Unterricht vorwiegend am Vormittag statt. Am Nachmittag gibt es offene Angebote, die für mindestens ein Halbjahr frei wählbar sind. „Die Kultusministerin wäre gut beraten, den Elternwillen ernst zu nehmen und mit der offenen Ganztagsschule ein Höchstmaß an Wahlfreiheit zu ermöglichen“, erklärt Timm Kern, der bildungspolitische Sprecher der FDP.