Zusätzlicher Aufwand – die Einlasskontrollen vor dem Geschäften. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das schlechte Weihnachtsgeschäft hat die Lage im stationären Einzelhandel verschärft. Rund 40 Prozent Rückgänge beim Umsatz und Passantenfrequenz sind zu verzeichnen. Hinzu kommen Zusatzkosten durch Einlasskontrollen.

Stuttgart - Die Festtagsstimmung und die Hoffnung auf passable Geschäfte sind inzwischen der Ernüchterung gewichen: Die Weihnachtsbilanz des Einzelhandels fällt „katastrophal“ aus. Zumindest der Handelsverband Deutschland (HDE) bedient sich dieser Wortwahl. „Bereits das zweite Mal in Folge war die Weihnachtszeit für den Einzelhandel eine Katastrophe“, erklärt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth nach dem Umfrageergebnis unter 750 Handelsunternehmen. Bei vielen Händlern würden „Ernüchterung und Existenzangst“ vorherrschen wegen der Umsatz- und Frequenzeinbrüche in Höhe von jeweils rund 40 Prozent.

Das Land schneidet noch schlechter ab

Genths Kollegin aus Baden-Württemberg, Sabine Hagmann, verschärft diese Einschätzung: „Im Land ist die Situation noch schlimmer als im Rest von Deutschland. Hier waren der Umsatz- und Frequenzverlust noch stärker.“ Das mag aus ihrer Sicht einerseits an den mitunter schärfsten Coronaregeln im Bundesvergleich liegen, andererseits könne es auch eine Frage der Mentalität sein. Was auch immer zum Nord-Süd-Gefälle führen mag, entscheidend ist für den Einzelhandel das Loch in der Kasse. „Und hier sprechen wir nicht nur von Rückgängen beim Umsatz“, sagt Hagmann, „auch der Ertrag ist schlechter.“ Grund dafür seien die Zusatzkosten durch die Kontrollen der Impf- oder Testdokumente – entweder durch eigenes Personal oder durch Dienstleister.

Wer sich bei Einzelhändlern in Stuttgart umhört, bekommt eine ähnliche Einschätzung der Lage zum Weihnachtsgeschäft. Thomas Breuninger vom Haushaltswaren-Traditionshaus Tritschler spricht von 20 Prozent Umsatzeinbußen. Das sei ein „wesentlicher Teil des Jahresumsatzes“. Gleichzeitig weiß der Tritschler-Geschäftsführer, dass andere Branchen sehr viel stärker leiden als seine. Allen voran die Textilbranche, bei der einzelne Händler selbst die 40-Prozent-Marke beim Umsatzrückgang sprengen. Aber selbst Buchhändler Christian Riethmüller klagt, obwohl Bücher auf der Geschenkliste traditionell ganz oben stehen, und hat keine Lust mehr, um den heißen Brei herumzureden: „Das Vorweihnachtsgeschäft war scheiße! Das Weihnachtsgeschäft war scheiße! Und nach Weihnachten ist es jetzt genauso scheiße!“ Die Politik bringe den stationären Handel und die Gastronomie in eine desaströse Lage.

Schwer verständliche Regeln erschweren es zusätzlich

Er ist sich sicher, dass viele Kollegen in nächster Zeit aufgeben müssen. „Wir bekommen auch keine Hilfen“, sagt er, „wir haben massive Einbrüche, aber nicht massiv genug, um Staatshilfen zu erhalten.“ Wie Riethmüller klagt auch Dirk Keuthen, Centermanager des Einkaufszentrums Milaneo, über kurzfristige und schwer verständliche Regeln. So sei man davon ausgegangen, dass die Kunden zwingend FFP2-Masken bräuchten, ehe sich das als Empfehlung herausgestellt habe. Oder die Verkürzung der Frist von doppelt Geimpften von sechs auf drei Monate: Das könne man so schnell nicht kommunizieren, geschweige denn, dass die Kunden wüssten, was gelte. So sei es kein Wunder, dass die Frequenz um fast 40 Prozent im Vergleich zu 2019 zurückgegangen sei. In einem sind sich die Händler einig: „Für uns ist es eine harte Zeit.“

Keine Lust auf Bummeln, Schauen, Probieren

Das Bild, das sich in der Innenstadt seit Montag abzeichnet, bestätigt die Lage. Kein Laden muss wegen Überfüllung schließen, in den Einkaufsstraßen herrscht nach Weihnachten kein Gedränge. Als Maßstab und als Vergleichswert dient allen die Zeit bis 2019. „Nichts ist mehr so, wie wir es bis dahin im Handel kannten“, sagt Thomas Breuninger. Natürlich meint auch er die erschwerten Rahmenbedingungen, die der Infektionsschutz gebietet. Aber im Grunde gehe die Sache tiefer: „Die 2G-Regel mag lästig sein“, sagt Breuninger, „aber viel entscheidender sind die Verunsicherung und die Sorge der Menschen.“ Damit sei ein Grundelement des Handels berührt: die Lust am Bummeln, am Schauen und am Probieren. Nämlich das, was den Unterschied zwischen Bedarfsdeckung und Shopping ausmacht. In diesem Sinne hat laut Breuninger im Weihnachtsgeschäft die „Inspiration“ gefehlt, der stationäre Handel konnte nicht das in die Waagschale legen, was ihn ausmacht: „Die Leute sind zielgerichtet gekommen, haben sich kaum beraten lassen, haben gekauft und sind schnell wieder aus dem Laden gegangen.“ Allerdings habe die Medaille auch eine gute Seite. „Die Kunden haben auf gute Qualität der Produkte und Nachhaltigkeit geachtet“, sagt Breuninger. Zudem seien auch Gutscheine wieder gut gegangen. Bedeutet: Wer mit Bedacht einkauft oder Gutscheine verschenkt, muss nun fast nichts umtauschen. Das mag auch ein Grund sein, weshalb die Passantenfrequenz in diesen Tagen in der Innenstadt sehr überschaubar ist.