Die Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle ist positiv auf das Stimulans Methylhexanamin getestet worden. Foto: dpa

Die Anwälte der in Sotschi überführten Biathletin weisen Anschuldigungen zurück, lassen aber viele Fragen offen.

Die Anwälte der in Sotschi überführten Biathletin weisen Anschuldigungen zurück, lassen aber viele Fragen offen.

München - Auch am vierten Tag herrscht im Dopingfall Evi Sachenbacher-Stehle der vertraute Zustand: Die Beteiligten blieben – wiewohl unterschiedlich mitteilsam – in Deckung und alle zentralen Fragen damit offen. Die positiv auf das Stimulans Methylhexanamin getestete Biathletin bestritt am Montag erneut, bewusst oder vorsätzlich gedopt zu haben. Diesmal in einer Erklärung, die sie über ihren Rechtsanwalt verbreiten ließ. Darin heißt es: „Anderslautende Unterstellungen werden entschieden zurückgewiesen.“

Wert legt die Partei der zweimaligen Langlauf-Olympiasiegerin auf die Feststellung, dass die in Sotschi ermittelte Positiv-Probe nicht auf „hartes Doping“ zurückzuführen und der Auslöser der verräterischen Werte „möglicherweise in dem teilweise unübersichtlichen Markt von Nahrungsergänzungsmitteln“ liege; doch nicht einmal das sei „derzeit abschließend gesichert“.

So sieht es aus, nur zielt es nicht auf den Kern des Problems: Die Frage ist, wie eine – im Zuge von vier Olympia-Teilnahmen und einem einschlägigen Problemfall 2006 in Turin – im Umgang mit dem Dopingproblem höchst erfahrene Athletin dazu kommt, all die Warnungen in den Wind zu schlagen, die seit Jahren in der Branche existieren. Dieser Schluss ergibt sich aus Sachenbacher-Stehles Aussagen vor der IOC-Disziplinarkommission, die das zugehörige Dokument so wiedergibt: Sie habe, neben diversen offiziell vom Kölner Labor getesteten Nahrungsergänzungsstoffen, auch zusätzliche Ergänzungsmittel auf Empfehlung ihres Ernährungsberaters genommen, die sie allerdings nicht geprüft hatte – sie habe auf die Versicherung des Beraters vertraut, dass auch diese „sauber“ seien. Auf Nachfrage beschrieb sie den Ernährungshelfer dahingehend, dass er zugleich ihr persönlicher Berater sei und überdies „andere Athleten und Geschäftsleute berät“.

Alles konzentriert sich nun auf diese Figur, die mysteriös erscheint. Die Kernsätze dieses Mentaltrainers pappen, auf kleine Zettel geschrieben, überall im Domizil der Athletin, wenn man den Homestories der Heimatpresse glauben darf, die in der unbelasteten Anfangsphase von Sotschi das Sachenbachersche Elternhaus in Reit im Winkl besucht hatte. Warum der Berater, den Sachenbacher-Stehle meint, offenbar nicht bei der IOC-Anhörung genannt wurde, warum weiter ein Geheimnis um eine Person gemacht wird, die ja womöglich im guten – naiven – Glauben Nahrungsergänzungen oder Schlankmacher empfohlen haben könnte, die in der Produktion verunreinigt wurden? Auch diese Punkte bleiben offen.

Sachenbacher-Stehles Anwalt war am Montagnachmittag für Nachfragen nicht mehr zu erreichen. Aufklärung dürfte vor allem von der Staatsanwaltschaft zu erwarten sein. Ein Sprecher teilte am Montag auf Anfrage mit, dass das Ermittlungsverfahren weiter „gegen Unbekannt“ geführt wird. Bei Hausdurchsuchungen am Freitagabend, die am Ruhpoldinger Olympia-Stützpunkt stattfanden sowie „in zwei Privatobjekten“, seien in einem der privaten Domizile Nahrungsergänzungsmittel sichergestellt worden. Die Analyse dauere nun „erfahrungsgemäß ein bis drei Wochen“. Zudem müssen die Produkte ausgewertet werden, die bei einer parallel gestarteten Durchsuchung in Sachenbacher-Stehles Hauptwohnsitz in Österreich konfisziert worden sind.

Unklar bleibt weiter, wie die ungewöhnlich flotte staatsanwaltliche Ermittlung in Gang gekommen war. Die Münchner Behörde will sich dazu nicht äußern, der Sprecher verwies nur darauf, dass sie „schon auf dem Amtsweg tätig werden kann, wenn ein Sachverhalt bekannt ist“. Vorliegend könne es sich um den Anfangsverdacht eines unerlaubten In-Verkehr-Bringens von unerlaubten Substanzen im Sport handeln: „Irgendwo muss es ja her kommen, deshalb richtet sich das Verfahren gegen einen unbekannten Dritten.“ Darauf, dass Sachenbacher-Stehle Zeugenstatus im Ermittlungsverfahren habe, legt übrigens auch Anwalt Marc Heinkelein Wert. Nun stehen weitere Labortests an, am Montag sollte auch der Deutsche Skiverband kontaktiert werden. Und sonst? Sachenbacher-Stehle sei „nach wie vor geschockt“.