Franziska Preuß ist derzeit die Nummer eins der deutschen Biathleten. Foto: AFP/Barbara Grindl

Franziska Preuß ist derzeit die Nummer eins im deutschen Biathlon, doch die Rolle der Hauptdarstellerin behagt ihr nicht besonders. Die 26-Jährige hat sich nach Rückständen wieder in die Weltspitze gekämpft und zuletzt viel neues Selbstvertrauen gesammelt.

Stuttgart/Antholz - Franziska Preuß ist die Nummer eins im deutschen Biathlon. Die zierliche Frau vom Skiclub Haag liegt in der Weltcup-Gesamtwertung auf Platz fünf, ihr folgt Denise Herrmann auf Rang elf, und auch bei den Männern rangiert keiner höher in der Liste, Bester ist Erik Lesser als Elfter.

Nummer eins, eigentlich eine hübsche Auszeichnung. Doch wirklich glücklich ist Franziska Preuß nicht, dass sie an so exponierter Stelle steht, so sehr im Scheinwerferlicht. Wenn man sie dann noch als „Frontfrau“ bezeichnet, hört sie das gar nicht gern. „Wir sind eine Mannschaft“, kontert die 26-Jährige, „da finde ich es blöd, wenn eine Person ins Schaufenster gestellt wird. Man kann uns doch nicht auf eine reduzieren.“

Hauptdarstellerin will sie nicht sein

Franziska Preuß ist nicht gemacht für die Rolle der Hauptdarstellerin, das behagt Denise Herrmann mehr, doch die 32-Jährige schießt nicht konstant genug, also muss Preuß die Rolle ausfüllen. „Ich mache lieber im Hintergrund mein Ding“, sagt die 26-Jährige und erinnert so an Laura Dahlmeier, die 2019 zurückgetretene Biathlon-Königin, die nach ihren Triumphen ebenfalls am liebsten im stillen Kämmerlein verschwunden wäre. Doch nachdem Franziska Preuß beim Weltcup in Oberhof erst die Staffel als Schlussläuferin zum Sieg führte und danach im Massenstart als Zweite ins Ziel skatete, steht sie zwangsläufig im Zentrum des Interesses. Wenn der Tross der Skijäger nun in Antholz residiert, werden die deutschen Fans im Einzel an diesem Donnerstag (14.15 Uhr/ZDF) ihre Hoffnungen verstärkt auf sie setzen. „Ich schaue jetzt einfach, dass ich die Rennen so konzentriert weiterarbeite“, sagt sie, „ich bin auf alle Fälle angriffslustig.“

Das hört sich gut an. Franziska Preuß hat in Oberhof viel Selbstvertrauen gesammelt, nachdem sie in diesem Winter schon einige Patzer verdauen musste, etwa die Ränge 23 und 16 in Kontiolahti oder die Plätze 14 und 18 in der ersten Oberhof-Woche. Ihre Schießleistung bekommt sie immer besser in den Griff, bei 86 Prozent liegt die Trefferquote, wobei sie liegend (93 Prozent) eine wahre Scharfschützin ist, stehend (78 Prozent) könnten die Kugeln häufiger im Schwarzen landen. „Ich würde den Stehend-Anschlag nicht als Problem bezeichnen, aber da geht noch ein bisserl“, sagt sie, „wichtig ist: Ich habe das nötige Selbstvertrauen wieder gefunden.“ Biathlon ist nicht nur eine Herausforderung für den Körper, sondern auch eine für den Kopf. Denise Herrmann liegt derzeit mit dem Schießen im Clinch, zu selten steht die Null – und dann beginnt sie, wie sie in Oberhof zugegeben hat, sich am Schießstand in Gedanken zu verheddern; sie will es besonders gut machen, doch oft geht der Schuss nach hinten los. Franziska Preuß kann diese mentale Aufruhr nachvollziehen. „Wenn es beim Schießen nicht klappt“, erklärt sie, „bringt es nichts, es erzwingen zu wollen. Dann verunsichert man sich mitunter noch mehr. Locker bleiben ist wichtig.“

Pech gab es schon genug

Das ist leichter gesagt als getan, das weiß die Staffel-Weltmeisterin von 2015 selbst. Nach der erfolgreichen WM vor sechs Jahren wurde ihre Krankenakte dicker als der Ordner mit den Trainingsplänen. Durchtrennte Daumensehne, Haarriss im Steißbein, Viruserkrankung, dazu gesellte sich ein Patzer bei Olympia 2018, der die Staffel eine mögliche Medaille kostete. „Ich hatte die Seuche“, sagte die Zollbeamtin damals, „teilweise war ich so verzweifelt, dass ich hinschmeißen wollte.“ Sie hat es nicht getan, hat die Rückschläge weggesteckt wie ein Boxer eine Abfolge harter Treffer – im Januar 2019 feierte sie ihren ersten Einzel-Weltcupsieg in Ruhpolding im Massenstart. Preuß pirschte sich an die Weltspitze heran, nun ist sie wieder mittendrin. Die Leistungen von Oberhof stimmen sie zuversichtlich. „Wenn man wieder Erfolg hat, kehrt auch die Ruhe zurück“, sagt sie, „das hilft ungemein.“

Antholz ist die letzte Station vor der WM in Pokljuka (11. bis 21. Februar), dabei richtet die Bayerin den Blick weniger auf den Gesamtweltcup als auf die Rennen in Slowenien. Eine WM-Medaille, das wäre was, möglichst in einem Einzel. „Silber im Massenstart 2015, das war schon cool, das erleben zu dürfen“, sagt sie, „wenn mir so was noch mal gelingen würde, das wäre klasse.“ Eine mit einer unerwünschten Nebenwirkung jedoch: Dann würden sich die Reporter um Hauptdarstellerin Franziska Preuß scharen.