Die BGH-Präsidentin Bettina Limperg will die Einheitlichkeit der Rechtsordnung sichern. Foto: dpa

Die Präsidentin des Bundesgerichtshofes Bettina Limperg bekommt neue Kollege – zweifelt aber an deren Nutzen. Sie wünscht sich, dass der Gesetzgeber den Gang an das höchste Gericht deutlich erschwert.

Karlsruhe - Mit einer fast schon penetranten Regelmäßigkeit beklagen Richter und Staatsanwälte in der gesamten Republik, dass die Arbeit zu viel, die Zahl der juristischen Abarbeiter jedoch zu gering ist. Der Justiz fehlt es am Personal, immer und überall. Da verwundert es dann schon ein wenig, dass Bettina Limperg nicht vor Freude in die Luft springt. Doch die Präsidentin des Bundesgerichtshofes (BGH) schaut alles andere als glücklich, wenn sie über zehn neue Richterstellen redet, die ihr Haus zugesprochen bekommen hat. Und das hat Gründe.

Haushaltsausschuss hat Spendierhosen an

Es war ziemlich spät, in der Nacht vom 8. auf den 9. November des vergangenen Jahres, als der Haushaltsausschuss des Bundestages dem BGH zwei neue Senate spendierte. Im Grunde sei sie von der Entscheidung überrascht worden, sagt Limperg auf dem Jahresempfang des Bundesgerichtshofes am Mittwochabend. Und es sei keine positive Überraschung gewesen. Zwar beklagt auch die BGH-Präsidentin die zunehmende Arbeitslast. An Stelle von neuen Kollegen sieht sie allerdings ganz andere Notwendigkeiten, um die Aktenberge abzutragen, beziehungsweise gar nicht so hoch wachsen zu lassen. Limperg geht sogar noch einen Schritt weiter. Die neuen Kollegen, die am Donnerstag vom Richterwahlausschuss gewählt werden sollten, könnten sogar hinderlich sein.

Limperg sieht die Gefahr, dass mehr Richter und mehr Senate zu einem Problem führen könnten, wenn es darum geht, eine der Grundaufgabe des Gerichts zu erfüllen: die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren. Je mehr Senate es gibt, desto größer wird die Möglichkeit, dass sich zwei von ihnen in einer Rechtsfrage widersprechen. Schon jetzt gelingt es nicht immer, dies zu vermeiden.

Der Osten soll auch Bundesrichter beherbergen

Derzeit gibt es am Bundesgerichtshof zwölf Zivil- und fünf Strafsenate, sie sind jeweils mit sechs bis acht Richtern besetzt. Der fünfte Strafsenat spricht von Leipzig aus Recht, das ist eine Folge des Programms Aufbau Ost. 1992 wurde beschlossen, dass auch der Osten der Republik Bundesrichter zu beherbergen habe. Nun soll ein Zivilsenat in Karlsruhe und ein zweiter Strafsenat in Leipzig angesiedelt werden. Beides stellt das Gericht vor organisatorische Probleme. 15 bis 20 Zimmer seien für einen Zivilsenat mit all seinen Mitarbeitern notwendig, die altehrwürdigen Mauern des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe platzten jedoch ebenso aus allen Nähten wie die dort vorhandenen Neubauten auf dem Gelände, sagt Limperg. Und im Osten sehe es nicht besser aus: „Entgegen anderslautenden Mitteilungen der Regierung in Sachsen“. Dessen Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) hatte die Entscheidung des Haushaltsausschusses seinerzeit als eine „großartige Nachricht für den Rechtsstandort Sachsen“, bejubelt. Im September wird dort gewählt.

An Stelle von neuen Kollegen hätte sich Limperg lieber einen Schutz des Gerichtes durch den Gesetzgeber gewünscht. Im vergangenen Jahr sind in den Zivilsenaten 488 zugelassene Revisionen eingegangen – und 3600 Nichtzulassungsbeschwerden. Die können erhoben werden, wenn die Vorinstanz keine Revision zugelassen hat – und sind der Präsidentin seit Jahren ein Gräuel, weil sie Kapazitäten binden – und in der Regel erfolglos sind. Zudem ist die Hürde von 20 000 Euro, die übersprungen werden muss, um sich beim BGH beschweren zu können, nur zeitlich befristet festgelegt. Die Präsidentin wünscht sich einen dauerhaften Schutz davor, dass das Gericht mit Kleinigkeiten überschwemmt wird. „Es ist nicht Sinn eines obersten Bundesgerichtes, dass jeder mit seinem speziellen Einzelfall vor den BGH kommt“, argumentiert Limperg. Ziele seien vielmehr Grundsatzentscheidungen und die Fortbildung des Rechts.