Ivo Josipovic ist immer vorne mit dabei, wenn es um die Verbesserung der Barrierefreiheit für Menschen mit Handicap in Vaihingen geht. Foto: Sandra Hintermayr

Der Bezirksbeirat will, dass der Ansprechpartner für Menschen mit Handicap, Ivo Josipovic, der die Gruppe Barrierefreies Vaihingen aktiv unterstützt, mehr Rechte im Gremium bekommt. Das lässt allerdings die geltende Gemeindeordnung nicht zu.

Vaihingen - Ivo Josipovic kann über die von Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle unterschriebene Antwort nur den Kopf schütteln. Der Bezirksbeirat hatte in seiner Sitzung im Juni einen Antrag an die Stadt gestellt mit der Bitte, die Rechte des sachkundigen Anwohners für Menschen mit Handicap analog denen des sachkundigen Anwohners für Migration und Integration anzupassen. Dazu gehört auch die Gewährung von einem Sitzungsgeld über 40 Euro. Doch das „kommt derzeit nicht in Betracht“, heißt es in dem Schreiben des Referats für Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht, die dem Bezirksbeirat in seiner jüngsten Sitzung vorlag.

„Ich mache die Arbeit hier sehr gerne“, sagte Josipovic im Vaihinger Bezirksbeirat. Der Behindertenbeauftragte unterstützt die Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen nach Kräften. Sein Einsatz wird von seinen Mitstreitern sehr geschätzt. Bei allen Vorortterminen im Bezirk, bei denen es um eine Verbesserung der Barrierefreiheit geht, ist der junge Mann dabei. „Mir jetzt auf diese Weise ein Bein zu stellen, ist lachhaft“, so Josipovic.

Ivo Josipovic ist kein Mitglied des Bezirksbeirats

Für die Ablehnung des Antrags gibt es mehrere Gründe. „Im Gegensatz zum sachkundigen Einwohner für Migration und Integration handelt es sich bei Herrn Josipovic nicht um ein Mitglied des Bezirksbeirats Vaihingen“, schreibt der Bürgermeister. Der Bezirksbeirat habe Josipovic mit Beschluss vom 8. Dezember 2015 lediglich „ein Rederecht als Zuhörer“ gewährt.

In Stuttgart obliegt die Bestellung der Mitglieder der Bezirksbeiräte dem Referat für Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht. Das Referat kann allerdings nur die in der Hauptsatzung vorgesehenen Positionen besetzen, so wie die des sachkundigen Einwohners für Migration und Integration. Die Befugnis, in der Satzung nicht vorgesehene sachkundige Einwohner zu bestellen, ist damit nicht verbunden, heißt es in dem Schreiben der Verwaltung. „Nur aufgrund von Wahl durch den Gemeinderat oder nach einer Änderung der Hauptsatzung“ können weitere sachkundige Mitglieder, wie etwa ein Ansprechpartner für Menschen mit Handicap, in den Bezirksbeirat berufen werden.

Der Gemeinderat müsste die Satzung ändern

Ivo Josipovic kündigte an, weiterhin zu versuchen, in den Bezirksbeirat aufgenommen zu werden. Einige Lokalpolitiker stimmten dem Behindertenbeauftragten entschieden zu. Ulrich Bayer von der CDU bezeichnete die Stellungnahme der Verwaltung als „Federstrich“. Gabriele Leitz von den Grünen, die sich wie Josipovic und Bayer aktiv in der Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen engagiert, schloss sich der Meinung an. „Ivo Josipovic hat viel Zeit und Engagement aufgebracht in diesem Jahr. Es ist ein Schlag ins Gesicht, ihn nicht in den Bezirksbeirat aufzunehmen.“ Dabei ginge es nicht nur um die 40 Euro Sitzungsgeld im Monat, sondern auch um die Anerkennung der Arbeit des Behindertenbeauftragten.

Die stellvertretende Bezirksvorsteherin Susanne Stückle versuchte, die aufgebrachten Redner zu besänftigen. „Das ist keine Schmälerung der Arbeit von Herrn Josipovic. Die rechtliche Grundlage ist nun einmal so, wie sie ist“, sagte Stückle. Der Bezirksbeirat könne daran auch nichts ändern. Wenn, dann müsse der Gemeinderat handeln. Das nahmen die Lokalpolitiker zum Anlass, für die nächste Sitzung einen fraktionsübergreifenden Antrag zu formulieren, in dem sie eine dementsprechende Satzungsänderung fordern.

Kommentar: Politik muss Zeichen setzen

Für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention über die Rechte von Menschen mit Handicap hat Stuttgart eigens einen Aktionsplan aufgestellt, der die Inklusion in den Bereichen Arbeit und Bildung, Freizeit und Kultur, Gesundheit und Pflege sowie Information, Kommunikation und Vernetzung vorantreiben soll. Barrierefreiheit wird groß geschrieben: Inklusion in den Schulen, Aufzüge und Rampen an den Haltestellen, Blindenleitlinien an Straßenkreuzungen.

Gut so! Nun ist es an der Zeit, dass sich auch in der Politik etwas ändert. Natürlich lässt sich die altehrwürdige Hauptsatzung der Landeshauptstadt von 1978, die die Besetzung der Bezirksbeiräte festlegt, nicht von heute auf morgen umschreiben. Doch bei all der Werbung für die Barrierefreiheit wäre es ein richtiges Zeichen, Ivo Josipovic als beratendes Mitglied ohne Stimmrecht, also gleich dem Vertreter für Migration und Integration, in den Bezirksbeirat aufzunehmen.

Der Behindertenbeauftragte ist immer dabei, wenn es darum geht, Barrieren und Mängel festzustellen. Der Rollstuhlfahrer sieht Dinge, die seinen gehenden Mitmenschen verborgen bleiben, seien es gefährliche Unebenheiten im Boden oder unüberwindbare Treppenstufen und Absätze. Seine Kentnisse bringt Josipovic regelmäßig in die Sitzungen des Bezirksbeirats ein. Es wäre die angemessene Würdigung seiner Arbeit für die Bürger mit Handicap im Bezirk, denen er und seine Mitstreiter in der Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen mit ihrem Engagement mehr Lebensqualität geben wollen.