Eine 63-Jährige soll ihre Mitmenschen um mehrere hunderttausend Euro betrogen haben. Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Im Prozess wegen schweren Betrugs durch eine 63-Jährige haben am zweiten Verhandlungstag die Ärzte und der Bruder der Angeklagten vor dem Landgericht Stuttgart ausgesagt. Die Frau soll ihre Mitmenschen um insgesamt 377 750 Euro gebracht haben.

Stuttgart - Am Ende seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Stuttgarter Landgericht war der 67-jährige Bruder der Angeklagten am Montag sichtlich aufgebracht: „Ich habe 150 000 Euro verloren, das ist ihr scheißegal“, rief er. Zuvor hatte der Mann dem Gericht rund eineinhalb Stunden lang geschildert, wie seine Schwester ihn über Jahre hinweg wieder und wieder um Geld gebeten hatte – stets mit dem Versprechen, er werde es zurückerhalten. Er habe ihr einfach vertraut, da sie seine Schwester sei und zudem bei der Kirche gearbeitet habe. Immer wenn er sie darauf angesprochen habe, wann er die Summen zurückbekomme, habe sie angefangen zu heulen und nur geantwortet: „Du kriegst dein Geld.“

Ein Prozess, der nie stattfand

Die 63-Jährige muss sich seit vergangener Woche wegen schweren Betrugs verantworten. Ihr wird vorgeworfen, Menschen aus ihrem Umfeld um insgesamt 377 750 Euro betrogen zu haben. Das Geld soll sie wiederum Betrügern überwiesen haben, die ihr ein günstiges Darlehen versprochen hatten. Sie hat die Taten – einige ereigneten sich im Rems-Murr-Kreis – bereits eingeräumt. Um an das Geld zu kommen, hat sie ihren Mitmenschen wohl Lügengeschichten erzählt – dem Bruder sagte sie, sie würde einen Prozess in der Schweiz gegen die mutmaßlichen Betrüger führen. Wenn er sich weigerte, ihr Geld zu geben, habe sie gedroht sich umzubringen, erinnerte sich der 67-Jährige.

Offenbar hatte auch er einige Zeit lang den Betrügern geglaubt – er erklärte vor Gericht, dass er das Geld teilweise direkt auf deren Konten überwiesen habe. Vermeintliche Banker und Richter, von denen seine Schwester gesprochen habe, habe er bei Internetrecherchen tatsächlich gefunden. Irgendwann habe er jedoch erfahren, dass es den angeblichen Gerichtsprozess in der Schweiz nicht gegeben hatte. Schon zuvor seien ihm einige Details komisch vorgekommen, doch seine Schwester schaffte es jedes Mal, seine Zweifel zu zerstreuen. Bis heute könne er nicht verstehen, „dass ein einzelner Mensch so lügen kann“, so der Bruder.

Altruistisch und naiv

Auch zwei Ärzte der Angeklagten waren am Montag als Zeugen geladen. Ihr Hausarzt berichtete, seine Patientin habe zeitweise Anzeichen einer Depression gezeigt und viel geweint. Dennoch habe die 63-Jährige ziemlich gefestigt auf ihn gewirkt – „sie hatte immer einen Plan, wie es weitergeht“, so der Mediziner. Ein Therapeut beschrieb die Frau als altruistisch. Ihm sei aber ein „naiver Umgang“ der 63-Jährigen mit Geld, dem Internet und ihren Schulden aufgefallen, sagte er dem Gericht.