Ina Wilhelm und ihr Hund Yomi. Foto: privat

Autisten kritisieren bei einer Expertenanhörung der Landes-CDU, dass erwachsene Patienten zu wenig unterstützt werden.

Stuttgart/Freiburg - Ina Wilhelm ist eine Kämpferin. Die 36-Jährige möchte, dass sich die Politik mehr für die Belange erwachsener Autisten einsetzt. „Für Kinder gibt es Schulbegleiter. Aber was ist mit uns Erwachsenen?“, fragte sie im Plenarsaal des Landtags Baden-Württemberg, wo die CDU-Landtagsfraktion kürzlich zu einer Expertenanhörung zum Thema Autismus eingeladen hatte. Mehr als 200 Besucher kamen – darunter auch Personen, die selbst von der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) betroffen sind.

Monika Stolz, inklusionspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, freute die Resonanz. „Wir haben in der vergangenen Zeit oft Gespräche über Autismus geführt. Dabei wurde uns klar, dass es hier brennt“, sagte die CDU-Frau. Von der Anhörung erhoffen sich die Christdemokraten, Impulse für ihre Arbeit.

Ina Wilhelm, die selbst an der Entwicklungsstörung leidet, genauer gesagt am Asperger-Syndrom (siehe Kasten), ist eigens für die Veranstaltung aus Freiburg angereist. Als Jugendliche und junge Erwachsene sprach sie phasenweise kaum ein Wort, nahm Medikamente und war zeitweise in einer Psychiatrie. Heute findet sie wegen ihrer Krankheit keine Arbeit, lebt von der Grundsicherung. Doch sie hat etwas, das ihr Mut macht: ihren Assistenzhund Abayomi, kurz Yomi. Bei der Veranstaltung in Stuttgart weicht er nicht von ihrer Seite, sitzt brav neben ihr. Der Vierbeiner begleitet Wilhelm seit zwölf Jahren. Er stellt sich vor sie, wenn sie in Stress gerät, und signalisiert ihr so, dass sie sich beruhigen soll. „Der Hund war meine Rettung. Er ist ein Puffer zwischen mir und der Außenwelt“, sagt Wilhelm.

Einen Rechtsanspruch auf einen solchen Hund hat sie jedoch nicht. Das macht sie wütend. „Im Gegensatz zum Blindenführerhund zahlen die Kassen den Assistenzhund für Autisten nicht“, erklärt Wilhelm.

Mit einer Petition will sie sich gegen diese Ungleichstellung wehren. Als sich vor rund einem Jahr abzeichnete, dass sie einen neuen Begleithund braucht, weil Yomi mittlerweile zu alt ist, startete sie auf www.change.org eine Unterschriftenaktion. Mehr als 64 000 Personen unterschrieben. Zudem hat sie Klage gegen ihre Krankenkasse eingereicht. Sie möchte einen Präzedenzfall schaffen, sagt sie. Derzeit läuft das Verfahren noch.

Einen ersten persönlichen Erfolg erreichte sie vor wenigen Wochen: Der Verein Beschützerinstinkte unter der Schirmherrschaft von Moderatorin Sonja Zietlow erklärte sich bereit, ihr einen neuen Hund zu bezahlen. Vor fünf Wochen bekam Wilhelm den Goldendoodle Enya. Bei der Expertenanhörung hat sie auch diese Hündin dabei.

Die Freiburgerin ist für diese Unterstützung dankbar. An ihrem Kampf für einen gesetzlichen Anspruch auf Autismus-Begleithunde hält sie aber weiter fest. Schließlich kommen weitere Kosten hinzu, die die 36-Jährige allein tragen muss. „Ich muss ja noch das Futter, die Hundesteuer und Tierarztkosten bezahlen“, sagt sie. Zudem möchte sie für die anderen Betroffenen kämpfen.

Neben dem Anspruch auf einen Begleithund mangle es in Deutschland auch an Arbeitsmodellen für Autisten, berichtet sie weiter. Zudem seien mehr Berufsbegleiter wünschenswert. „Ein solcher müsste ja nicht permanent dabei sein. Aber zum Beispiel, um den Arbeitgeber über Autisten aufzuklären.“

Von Problemen auf dem Arbeitsmarkt berichtet auch ein circa 50-jähriger Mann, der sich ebenfalls bei der Veranstaltung äußerte. Er habe viele Jahre bei einem Notar gearbeitet. Als die Krankheit diagnostiziert wurde, sei er aber vorzeitig in Rente geschickt worden. „Ich kann arbeiten. Es ist deprimierend, jetzt schon Rentner zu sein“, sagte er.

Nach Informationen des Bundesverbands zur Förderung von Menschen mit Autismus sind weltweit 0,6 bis 0,7 Prozent der Menschen von der Entwicklungsstörung betroffen. Der Ansicht Wilhelms, dass zu wenig für betroffene Erwachsene getan wird, stimmt Friedrich Nolte, Fachreferent beim Bundesverband zu. „Wir haben hier eine große Lücke in der Versorgung“, sagt er. In Baden-Württemberg, wie in anderen Bundesländern auch, gebe es für Erwachsene keine flächendeckende therapeutische Versorgung. Zudem würden ambulante Therapien im Rahmen der Eingliederungshilfe selten bewilligt. Positiv hob er das Engagement von Firmen wie SAP und Auticon hervor, die spezielle Arbeitsangebote für Menschen mit Autismus machen.Stuttgart -