Werden im Motorenwerk in Untertürkheim künftig auch Batterien gefertigt? Diese Frage wird im Konzern gerade verhandelt. Foto: Martin Stollberg

Der Daimler-Betriebsrat fordert, zuerst das Werk in Polen zu überprüfen, bevor es an hiesige Jobs der Beschäftigten des Stuttgarter Autobauers Daimler geht.

Stuttgart - Die Beschäftigten des Stuttgarter Autobauers Daimler haben verständnislos auf die Äußerungen ihres Konzernchefs reagiert, wonach die Beschäftigung bei den Verbrennern reduziert werden soll. „Diese Frage betrifft nicht nur Untertürkheim“, sagte Wolfgang Nieke, Betriebsratsvorsitzender des Motorenwerks in Untertürkheim.

An diesem Standort sind insgesamt 19 000 Menschen beschäftigt. Es gehe bei diesem Thema auch um die Zukunft der Werke in Berlin, Hamburg und Kölleda, sagte Nieke, und fügte an: „Das Werk Untertürkheim leistet mit einer Million Überstunden und einer Vielzahl von Sonn- und Feiertagen jedes Jahr einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens.“ Der Vorstand des Autobauers plane in den kommenden Jahren weiteres Wachstum, auch in Europa. „Vor diesem Hintergrund sehe ich nicht, wie der Vorstand so früh wie möglich die Beschäftigung reduzieren will“, so Nieke.

Kaum ein Thema beschäftigt die Arbeitnehmervertreter gerade so sehr wie die Frage, wie sie die derzeit vorhandenen Arbeitsplätze im Zeitalter der Elektromobilität und der Digitalisierung in die Zukunft retten können. So bemühen sich die Mitarbeiter des Werks in Untertürkheim gerade intensiv darum, dass sie die Batterien für die geplante neue Elektroauto-Familie mit dem Namen EQ liefern dürfen.

Das Problem: die bestehenden Mercedes-Werke sind komplett ausgelastet und räumlich begrenzt. In allen Werken, die an der Elektrostrategie beteiligt werden sollen, wird derzeit krampfhaft überlegt, wo noch Platz geschaffen werden kann.

Daimler plant zehn neue E-Modelle

Noch nie hat Konzernchef Zetsche so deutlich gesagt, wie er sich die Zukunft vorstellt wie auf der Analystenkonferenz am Freitag: „Wir werden beim Antrieb so früh wie möglich reduzieren“, sagte Zetsche. „Wir haben die Verantwortung, das Personal, das an Bord ist, zu sichern – aber wir sehen keine Verantwortung, die Stellen zu sichern.“ Die Pkw-Sparte Mercedes-Benz werde auch bei steigendem Produktionsvolumen keine neuen Mitarbeiter einstellen.

Der Betriebsratschef Nieke warnte davor, die Stellen in Untertürkheim anzutasten: „Nach den heutigen Planungen des Unternehmens werden wir auch 2025 noch die Kapazitäten für Motoren und Getriebe auslasten“, sagte er. „Sollte das nicht der Fall sein ist zu allererst der Aufbau eines neuen Motorenwerkes in Jawor, Polen, zu überprüfen, dort wird im Powertrain Beschäftigung aufgebaut.“

Nieke stellte klar: „Wir erwarten, dass Daimler sich der Tradition des Neckartals und der Region verpflichtet fühlt und auch die neuen Antriebstechnologien in unseren Powertrainwerken fertigt.“ Bislang sehe der Vorstand das anders als die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und die Betriebsräte an den Standorten, an denen Antriebstechnik produziert wird.

Daimler will bis Mitte des nächsten Jahrzehnts ein Viertel bis ein Drittel seines Absatzes mit batteriebetriebenen Autos erzielen. Zehn neue Modelle sind geplant. In den Fabriken ist damit ein deutlicher Umbau verbunden, denn E-Motoren erfordern viel weniger Arbeitseinsatz als die komplexen Benzin- und Dieselmotoren.

„Das augenblickliche Wachstum und damit der Erfolgskurs des Unternehmens wird durch den enormen Einsatz der Belegschaften insbesondere in Deutschland gestemmt“, sagte auch Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht. „Es gibt daher aus unserer Sicht eine Verpflichtung des Unternehmens, in allererster Linie diesen Belegschaften eine gute Perspektive zu geben – und nicht irgendwelchen Fremdanbietern.“ Doch auch der Gesamtbetriebsratschef ist nicht sicher, dass nach dem Transformationsprozess gleich viel Mitarbeiter bei Daimler beschäftigt sind wie jetzt. „Ob am Ende die gleiche Anzahl an Arbeitsplätzen gehalten werden kann, muss man abwarten“, sagte er. Das hänge auch von anderen Einflussfaktoren, wie dem Automatisierungsgrad und dem Fortschritt der Digitalisierung ab. „Aber alle Flächen und Kapazitäten der bestehenden Standorte müssen ausgelastet sein – auch im Interesse der Effizienz und Ergebnisse.“