Das „Römer Carré“ und der Discounter Aldi haben die Kaufkraftbindung verbessert. Foto: Hans-Dieter Wolz

Neue Läden in Kernen sorgen dafür, dass die Bürger mehr am Ort einkaufen. Bisher war die Gemeinde Schlusslicht unter den Gemeinden und Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern im Ballungsraum.

Kernen - Nach wie vor geben die Menschen in der Gemeinde Kernen das meiste Geld außerhalb des Orts aus. 111 Millionen Euro standen laut einer Statistik aus dem vergangenen Jahr den 15 000 Bewohnern insgesamt zur Verfügung, um sie im Einzelhandel auszugeben. Sie tragen ihr Geld aber hauptsächlich nach außerhalb, in die attraktiven Einzelhandelszentren nach Fellbach, nach Waiblingen, nach Stuttgart, auch nach Weinstadt und manche sogar nach Esslingen. Im Jargon der Statistiker heißt dies: Die Kaufpreisbindung ist schlecht. Das ist schon seit längerem so, denn Kernen ist eingekreist von Städten mit vielen attraktiven Läden.

Die Gemeinde Kernen ist nicht mehr Schlusslicht im Ballungsraum Stuttgart

Aber es hat sich etwas geändert, wie die Studie der IHK Region Stuttgart zu den Kennzahlen für den Einzelhandel, also die oben genannte Kaufkraft, die Umsätze der Läden am Ort und Bindung der Kaufkraft am Ort aufzeigt. Die Gemeinde Kernen, bisher Schlusslicht unter den Städten und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern im ganzen Ballungsraum Stuttgart, hat ihren Platz mit Korb getauscht und ist nun Vorletzter. Der Beobachter mag das als nur kleinen Fortschritt belächeln. Im Korber Rathaus werden dagegen die Warnleuchten nun heller blinken.

Passiert ist durchaus mehr als der Rangtausch am Ende der langen Liste mit vielen traditionsreichen Städten. Der Autor der Studie, IHK-Mitarbeiter Martin Eisenmann, schätzt die Zahlen für Kernen als eine große Veränderung ein. Fast 39 Millionen Euro – 2534 Euro pro Kopf – setzen die Einzelhandelsbetriebe nach den Berechnungen zweier Beratungsunternehmen derzeit jährlich um. 2016 waren es noch 36,51 Millionen – nur 2460 pro Kopf. Im Vergleich zur vorherigen Kaufkraftstudie der IHK von 2015 ist die Veränderung noch deutlicher: Damals berechneten die Fachleute einen Umsatz von 35 Millionen Euro in Kernen. Seither sind die neuen Ansiedlungen wirksam geworden: Allen voran Aldi, der am Ortsrand, in den Spitzäckern, seit mehr als zwei Jahren seine Waren verkauft, aber auch der Textildiscounter Kik und die Drogerie-Filiale der Rossmann-Kette im Ortskern. „Das bedeutet vier Millionen Euro mehr Umsatz, ein Anstieg um zehn Prozent. Das ist relativ deutlich verbessert“, sagt Martin Eisenmann. „Ich glaube nicht, dass es viele Gemeinden gibt, die so ein Wachstum hingelegt haben.“

Die grundlegende Wettbewerbssituation

Das mit weniger als 11 000 Einwohnern etwas kleinere Korb profitiert zwar mit 7558 Euro pro Einwohner zur Verfügung stehendem Geld im Verhältnis mehr als Kernen mit 7202 Euro, doch dort bleiben derzeit nur 26,55 Millionen Euro pro Jahr im Ort hängen. Das sind 2486 Euro pro Kopf gegenüber 2534 in Kernen.

Und trotzdem ist nur ein Rangtausch am traurigen Ende herausgesprungen? Martin Eisenmann weist darauf hin, dass sich die grundlegende Wettbewerbssituation für Kernen nicht geändert hat. Wer teure Möbel einkauft, findet in nächster Nähe in Fellbach ein breites Angebot. Mit der S-Bahn und eventuell vorheriger Busfahrt sind die Bürger schnell in Stuttgart. „Kernen ist umzingelt von Standorten mit großen Flächen, und die sind leicht erreichbar“, sagt Eisenmann. „Es ist ein ganz weiter Weg für die Ladengeschäfte, die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher zu ändern“, sagt Martin Eisenmann.

Kernen sieht der Fachmann auf dem richtigen Weg, weil Lebensmittelmärkte und Drogerie zur Grundversorgung gehören: „Eine Gemeinde sollte sich das Ziel setzen, die Grundversorgung möglichst hoch abzudecken.“