Voll dabei: Giulio Sansone, Fabian Stuber und Milenko Kolundzec (von hinten nach vorne), putzen in Neckarweihingen eine Hausfassade heraus. Foto: factum/

Streichen, tapezieren, dekorieren: Die Maler der Theo-Lorch-Werkstätten in Ludwigsburg sind eine ganz besondere Truppe.

Ludwigsburg - Die Sache mit dem Stein-Imitat ist Milenko Kolundzec in besonderer Erinnerung: Obwohl es sich um eine ganz normale Wand in einem ganz normalen Haus handelte, sah sie nach dem Streichen aus, als wäre sie aus feinem Sandstein gemauert. „Das war ’ne coole Sache“, sagt der 39-Jährige. Giulio Sansone denkt gerne an die Decke einer bestimmten Toilette: Dass er sie in effektvoller Lasurtechnik gestalten durfte, das war toll, sagt der 30-Jährige. Und hört man Fabian Stuber von seiner Arbeit in der Malerwerkstatt berichten, muss man zwangsläufig glauben, dass alles hier famos ist. „Die Arbeit macht wieder Spaß“, sagt der 38-Jährige, für den es eine Zeit gegeben hat, in der Arbeiten unvorstellbar war.

Wobei es auch eine Zeit gegeben hat, in der unvorstellbar war, dass psychisch kranke Menschen fast ganz normal arbeiten. Wie weit der Weg von dieser Zeit in die heutige war, kann man eindrucksvoll an der Malerwerkstatt sehen, in der die drei schwärmenden Herren arbeiten – und die Teil der Theo-Lorch-Werkstätten ist, einer Einrichtung also für Menschen mit Behinderung.

Mehr Zeit ist weniger Gift für die Seele

Dass Fabian Stuber eine Ausbildung zum Maler und Lackierer machen würde, war schon immer klar. Doch nach seiner Lehre ist der junge Mann krank geworden. Eineinhalb Jahre lang war er ohne Arbeit, und er wusste, dass er nicht auf den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren kann. Der Druck, der Stress – Gift für die Seele. Als er die Malerwerkstatt der Theo-Lorch-Werkstätten entdeckt, ist er glücklich. „Ich darf meinen Job ausüben – aber in einem geschützten Rahmen.“

Natürlich müssen er und seine Kollegen auch sauber arbeiten und pflichtbewusst sein – aber nicht ganz so schnell. Für das Streichen einer Hausfassade in Neckarweihingen zum Beispiel hatten die Maler 14 Tage Zeit. Bei einem klassischen Betrieb hätten sie die Hälfte gehabt, meint Stuber, der mit seinen Kollegen dann doch schon nach zehn Tagen fertig war.

Ein besonderes Projekt

Zwölf Mitarbeiter hat die Maler-Werkstatt, in der an fünf Tagen die Woche von 8 bis 16 Uhr geschafft wird. Die Theo-Lorch-Maler bieten alles, was Maler anderer Werkstätten auch bieten. Man muss das deshalb betonen, weil noch immer nicht überall bekannt ist, dass Behindertenwerkstätten keine besseren Verwahranstalten sind, die Leuten eine Pseudo-Beschäftigung bieten. Trotzdem war auch die Maler-Werkstatt, als sie im Jahr 2008 vorerst als Projekt startete, etwas Besonderes.

Als die Theo-Lorch-Werkstätten vor 50 Jahren, am 3. September 1969, gegründet wurden, stand der Fürsorgegedanke im Vordergrund. Jemand musste sich ja um die jungen Menschen kümmern, die mit der Schule fertig waren – und die nun nichts mehr zu tun hatten. Anfangs reichten ein paar Dutzend Plätze in einem Gebäude auf der Karlshöhe. Heute, zum Vergleich, bieten die Theo-Lorch-Werkstätten an mehreren Standorten im Kreis Arbeitsplätze für 800 Menschen.

In den 1980er Jahren beginnt sich der Gedanke durchzusetzen, dass Menschen mit Behinderung mehr können als schlichte Holz- oder Teppicharbeiten. Wenn man sie fördert. Die Mitarbeiter der Theo-Lorch-Werkstätten montieren nun Teile für Maschinenbauer und verpacken Scheibenwischer für Autoproduzenten. Und sie tun das sogar in Unternehmen. Zum Beispiel bei Ikea. So werden die Arbeitsplätze im Laufe der Jahre immer vielfältiger. Es gibt Jobs in Kantinen, Wäschereien, Jobs und Telefonzentralen. Fast überall also. Isabell Brando, die Sprecherin der Theo-Lorch-Werkstätten sagt: „Man erkennt an, dass jeder Mensch richtig ist.“ Und so ist 2008 die Malerwerkstatt entstanden – und drei Jahre später die Gartenwerkstatt, die sich um alles kümmert, was grünt und blüht oder wuchert und welkt.

Ein Auftrag mit einem guten Zweck

Milenko Kolundzec, den eine Psychose aus seinem ersten Arbeitsleben warf, müsste nicht arbeiten. Er könnte, sagt er, auf der faulen Haut liegen und Geld vom Staat kassieren. Das will er nicht. Die Struktur des Arbeitstages tut ihm gut, das familiäre Umfeld ebenfalls, das positive Feedback der Kunden sowieso. Dass sie nebenbei in einem einst unvorstellbaren Maß die Inklusion fördern, ist ein hübscher Nebeneffekt der Aufträge, die günstiger sind als die gesunder Maler. Allerdings nicht, weil die Theo-Lorch-Werkstätten Dumping-Preise bietet. „Wir haben marktübliche Preise“, versichert Isabell Brando. Aber die gemeinnützige Einrichtung kann den verminderten Mehrwertsteuersatz berechnen.

Milenko Kolundzec sagt: „Man möchte ernst genommen werden.“ Und dass er sich in der Malerwerkstatt ernst genommen fühlt. Und Fabian Stuber sagt: „Hier wurde was wirklich Gutes aufgebaut.“