Bei der Fahrt durch den Gotthard-Tunnel gilt ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern. Das hat ein Ditzinger Autofahrer ignoriert. Foto: Keystone

Ein 40-Jähriger aus Ditzingen muss wegen Raserei und Gefährdung anderer Autofahrer in der Schweiz ins Gefängnis. Der Angeklagte kam nicht zur Verhandlung. Unklar ist, ob und wo der Mann ins Gefängnis muss.

Ditzingen/Lugano - Er ist mehr als eine halbe Stunde lang über Autobahnen in der Schweiz gerast, zum Teil mit 200 Kilometern pro Stunde – auch durch den Gotthard-Tunnel. Dabei hat er risikoreich überholt und das Leben anderer Autofahrer gefährdet. Nun hat das Kantonsgericht in Lugano den 40 Jahre alten Mann aus Ditzingen zu 30 Monaten Haft verurteilt, ein Teil davon wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte war nicht zum Gerichtstermin erschienen. Nun geht es darum, ob und wo der Mann ins Gefängnis muss.

In der Schweiz sind, anders als in Deutschland, Strafprozesse in Abwesenheit des Angeklagten möglich. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft des Schweizer Kantons Tessin mitteilt, hatte sich die Raserfahrt des Ditzingers über mehrere Autobahnen erstreckt – auf denen in der Schweiz maximal mit Tempo 120 gefahren werden darf. Im Gotthard-Tunnel gilt zudem Überholverbot und ein Limit von 80 Kilometern pro Stunde. Der Angeklagte soll den Angaben zufolge im Tunnel zehn Mal andere Fahrzeuge überholt haben. Die nun geahndete Fahrt habe im Kanton Solothurn begonnen und sich in den Kantonen Freiburg, Bern, Luzern und Nidwalden fortgesetzt, berichtete die „Luzerner Zeitung“ vom Prozess. Für diese Strecke von rund 90 Kilometern Länge brauche man normalerweise rund eine Stunde. Der Ditzinger habe sie hingegen in etwa 40 Minuten zurückgelegt.

Gerast auch im Tunnel

Die Raserfahrt habe im Sommer 2014 während der Hauptferienzeit stattgefunden, berichtete die Schweizer Zeitung „Blick“. Der Ditzinger sei von der Polizei erst vor dem Ceneri-Tunnel mittels einer Straßensperre gestoppt worden. Nach der Kontrolle habe der Mann seine Fahrt mit einem Taxi fortgesetzt, er sei ins italienische Como gefahren. Den Taxifahrer, so der Reporter der „Luzerner Zeitung“, habe er nicht bezahlt, sondern sich davongemacht. Der „Blick“ kommentierte das Urteil mit den Worten: „Das Kantonsgericht Lugano greift durch“.

Es sei unwahrscheinlich, sagte der Luganer Staatsanwalt, dass der Mann zum Strafantritt in die Schweiz komme. Schließlich sei er schon zum Prozess nicht erschienen. Der Kantonsrichter könne allerdings dafür plädieren, dass der Angeklagte seine Strafe in Deutschland absitzt. Das sei aber frühestens in einigen Wochen möglich, wenn das Urteil schriftlich vorliege. Eine Auslieferung aus Deutschland in die Schweiz sei schwierig.

Keine Auslieferung an Nicht-EU-Staaten

Dies bestätigt der Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Jan Holzner. Der deutsche Staat liefere seine Bürger nicht an Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz aus, zumal der Angeklagte nicht vor Gericht zur Verhandlung erschienen sei. Und hierzulande würden Urteile in Abwesenheit des Angeklagten nicht anerkannt. „Ich bin mir ziemlich sicher“, sagt Holzner, „dass der Mann nicht ausgeliefert wird.“ Die Reisefreiheit des Ditzingers sei allerdings eingeschränkt, fügt er hinzu. Sollte der Mann etwa in der Schweiz in eine Kontrolle geraten, müsse er mit seiner Verhaftung rechnen. Das sei auch in anderen europäischen Staaten so: Wenn der Mann beispielsweise in Frankreich oder Italien kontrolliert werde, riskiere er, sofort festgesetzt und an die Schweiz ausgeliefert zu werden.

Wenn es um Bußgelder für Verkehrsdelikte geht, ist die Sache anders als nach einem Haftstrafen-Urteil: Wer etwa im europäischen Ausland geblitzt wurde, muss zahlen. Für das Eintreiben von Bußgeldern gibt es internationale Abkommen, an denen auch Deutschland beteiligt ist.