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Wird aus dem Roten Rathaus bald Renates Rathaus, indem die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast zur Senatswahl 2011 antritt, um Klaus Wowereit das Amt streitig zu machen?

Berlin - Um Klaus Wowereits Ruf zu beschreiben, wäre für diese Anekdote eine Zeitung zum Riechen nicht schlecht. Aber Lesen ist Bilden, ohne zu leiden. Ein Sozialdemokrat sagt über seinen Parteifreund Wowereit: "Wenn irgendjemand in der SPD eine Stinkbombe legt, um rumzumäkeln, anstatt offen miteinander zu streiten, dann halten sich die meisten nur die Nase zu. Aber der Klaus sagt: Das ist eine Stinkbombe - und will wissen, wer sie warum gelegt hat."

Mister neunzig Prozent ist also recht beliebt in der SPD. Als Regierender Bürgermeister Berlins und als Vizeparteichef mit eben diesem sehr, sehr guten Wahlergebnis von 90 Prozent. Mister Hundertprozent allerdings, das war einmal - so sicher schien lange die Immerwiederwahl Klaus Wowereits zum Berliner Stadtstaatsoberhaupt.

Aus. Vorbei?

Wird aus dem Roten Rathaus bald Renates Rathaus, indem die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast zur Senatswahl 2011 antritt, um Wowereit das Amt streitig zu machen? Die Frau aus Recklinghausen, die vor mehr als 30 Jahren nach Berlin kam und mit westfälischer Kodderschnauze in der Hauptstadt einen respektablen Ruf erworben hat, könnte den gar nicht mehr so schillernden Berliner durchaus bedrängen. Wowereit sitzt in seiner rot-roten Koalition nicht gerade fest im Sattel, muss einen neuen Schuldenhaushalt verantworten, der der Stadt Ausstände von insgesamt 66 Milliarden Euro voraussagt.

Bei der Bundestagswahl kam die grün-verstrubbelte Künast in ihrem Wahlkreis Schöneberg-Tempelhof auf 26 Prozent Erststimmen. Der Bezirk ist nicht gerade grün, kann aber noch aufblühen, indem er durch eine ökologisch-kostentragende Nutzung des stillgelegten Flughafens Tempelhof für Naturfreunde oder kreative Unternehmer attraktiv wird. Vorstellen muss sich Künast in Berlin niemandem mehr. Sie war lang genug Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus.

Die Partei liegt in Umfragen inzwischen gleichauf mit SPD und CDU - bei 20 Prozent. Für die Grünen ist das viel, sehr viel; für die anderen ist das wenig, sehr wenig.

Der Grünen-Frontmann im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, gibt den Wegbereiter für die "natürliche Kandidatin Künast". Die nennt er selbst zwar nicht so, aber andere Berliner Grüne, auch wenn sie das aus strategischen Gründen nicht sollten. Ratzmann dagegen will in den nächsten zwölf Monaten die programmatische Grundlage für die Wahl 2011 schaffen, einen Plan entwickeln, mit wie viel grüner Politik die Hauptstadt aus der Finanzkrise zu führen ist. Und wie die Grünen Gesamtberlin erobern wollen - und nicht nur die ihnen ohnehin ergebenen linken Bastionen von Kreuzberg, Friedrichshain und Co. Und ob sie auch mit der CDU koalieren würden: Oder gar mit der FDP? Erst danach geht es ums Personal - um Künast.

Obwohl die 54-Jährige längst nicht mehr Verbraucherschutzministerin ist, steht sie so hoch im Kurs wie Wowereit. Das Politbarometer listet für die Frage "Welcher Politiker sollte eine größere Rolle spielen?" den Regierenden Bürgermeister mit hauchdünnem Vorsprung auf Platz acht vor Künast, die wiederum CSU-Chef Horst Seehofer, Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff und Finanzminister Wolfgang Schäuble hinter sich lässt. Was tun mit so viel Umfragemacht, Führungserfahrung und grüner Überzeugung, Frau Künast?

Tief hängen. Nicht drüber reden. Und ausweichend antworten: "Mit 10,7 Prozent haben wir im Herbst das beste grüne Ergebnis auf Bundesebene erreicht. Als Fraktionsvorsitzende im Bundestag habe ich die wichtige Aufgabe, eine schlagkräftige Opposition gegen die unsoziale Politik von Schwarz-Gelb zu machen." Es gibt genug Beispiele von vermeintlich unvermeidlich guten Kandidaten, die nie nominiert wurden, weil sie sich zu früh aus der Deckung wagten.

Berlin wählt erst im Herbst 2011. Aber die Sache ist schon heute so spannend, weil Wowereit zwischenzeitlich reichlich gelangweilt wirkte von seinem Job im Roten Rathaus. Der finanziell gebeutelte Senat lässt ihm wenig Handlungsspielräume, das Bündnis mit der Linkspartei ist labil. Aber er muss die Krise meistern, denn nur, wenn er die Wahl gegen Künast gewinnt, kommt er seinem tatsächlichen Ziel näher - Kanzlerkandidat der SPD zu werden.

Und hier kommt auch die Stinkbombe wieder ins Spiel: Einen Kerl von seinem Schlag mögen vor allem die Parteilinken; einen wie Wowereit, der auch Parteichef Sigmar Gabriel die Meinung sagt, wenn es nötig werden sollte - ohne dass es gleich bis auf alle Flure und in die Öffentlichkeit hinein übel riecht. Deshalb bauen sie ihn auf als Gegenspieler Gabriels für die Kanzlerkandidatur: "Der Klaus kann das, und der will das. Und der riecht auch noch gut."