Rettungskräfte sind nach dem schweren Grubenunglück in der tschechischen Karvina an einem Steinkohlebergwerk im Einsatz. Bei einem Grubenunglück im Osten des Landes sind mindestens 13 Bergleute getötet worden. Foto: dpa

Während Deutschlands letzte Zeche schließt, geht die Steinkohle-Förderung in Tschechien weiter. Nun sind dort kurz vor Weihnachten 13 Bergleute ums Leben gekommen. Wir sprachen mit einem Bergbau-Sicherheitsexperten über die Risiken unter Tage.

Heidelberg/Karvina - Bei einem schweren Unglück in einem tschechischen Steinkohlebergwerk im Osten des Landes sind mindestens 13 Bergleute ums Leben gekommen. Zehn weitere Menschen sind bei der Methangasexplosion in der Zeche Stonava bei der Industriestadt Karvina im Osten des Landes verletzt worden, teilte die Betreiberfirma OKD am Freitag mit. Elf der Toten stammten demnach aus Polen.

Schlimmstes Bergbauunglück in Tschechien seit 30 Jahren

Es ist das schlimmste Grubenunglück in Tschechien seit 1990. Die Zeche liegt rund 300 Kilometer östlich von Prag. Die Schlagwetterexplosion hatte sich den Angaben zufolge am Donnerstagabend 880 Meter unter Tage ereignet. Aus noch ungeklärter Ursache entzündete sich ein Luft-Methangas-Gemisch, in dessen Folge ein Grubenfeuer ausbrach. Retter suchten die ganze Nacht über verzweifelt nach Überlebenden. Wegen der enormen Hitzeentwicklung und ausströmender giftiger Gase konnten sie den am schwersten betroffenen Bereich aber nicht betreten.

Wir sprachen mit Jörg Weber, Leiter des Kompetenz-Centers Notfallprävention der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) in Heidelberg über die Gefahren im Steinkohlebergbau.

„Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Unglück in Europa ist sehr gering“

Herr Weber, wie kann es trotz der hohen Sicherheitsstandards im Steinkohlebergbau zu schweren Grubenunglücken wie jetzt in Tschechien in der Stadt Karvina kommen?

Es muss jetzt genau untersucht werden, was in der Zeche Karvina passiert ist. Bei den allgemein geltenden technischen Standards, die in der Tschechien nicht anders als in Deutschland sind, sind sehr viele Maßnahmen eingeplant, um ein solches Unglück zu vermeiden.

Und trotzdem passieren solche Explosionen. Wie ist das möglich?

Grundsätzlich ist immer Methangas in Gebirgen mit Steinkohle vorhanden. Das lässt sich nicht vermeiden. Es wird grundsätzlich technisch überwacht, was die Hauptmaßnahme ist. So weiß man immer genau, ob sich ein zündfähiges Gemisch im Bergwerk befindet oder nicht. Wenn es auftritt, zeigt die Messtechnik das an und man reagiert entsprechend. In erster Linie mit einer speziellen Wetterführung. Das heißt: Mit einer starken Belüftung wird versucht, dieses Gemisch so weit zu verdünnen, dass es nicht mehr zündfähig ist.

Wie wird das Gas vermischt?

Mit Luft, die von außen zugeführt wird, bis so wenig Methan in der Luft ist, dass es nicht mehr zünden kann. Dieses verdünnte Luft-Methan-Gemisch wird aus der Grube über einen Schacht abgesaugt.

Ist Methangas unter Tage immer vorhanden?

Vorrangig im Steinkohlebergbau – in unterschiedlich starken Konzentrationen und in der Regel in unkritischen Größenordnungen. Man kann im Bergbau nicht vorhersehen, auf welche gasführenden Schichten man im Gestein trifft. Deshalb versucht man zuerst immer die Gaskonzentration messtechnisch zu erfassen.

Ist die Methankonzentration abhängig von der Tiefe der Grube oder der Art des Gesteins?

Sie ist abhängig davon, wie das Methan im Gestein vor Millionen Jahren eingelagert wurde. Damit ist es nicht vorhersehbar, wann ein Anstieg kommt. Aus diesem Grund wird die Gaskonzentration immer überwacht.

Wenn es permanente Kontrollen gibt, wie kann es trotzdem zu Unglücken kommen?

Nur selten steigt der Gehalt von Methangas abrupt an. Aber auch ein schleichender Anstieg ist schon problematisch, weil nicht alle Stollen in einer Grube ständig belegt sind. In den Gruben wird alles daran gesetzt, um jeden Zündfunken zu vermeiden. Man darf grundsätzlich nicht rauchen. Es werden spezielle Werkzeuge eingesetzt, die keine Funken machen. Wenn Sprengstoff verwendet wird, handelt es sich um Sondersprengstoff, der zum Beispiel auch keine Funken bildet. Das sind alles Maßnahmen, die üblicherweise auch funktionieren.

Bedeutet die Einschränkung „üblicherweise“, dass es Faktoren gibt, die zu solchen Unglücken führen können?

Es kann nur dann zu einer Explosion kommen, wenn die Methangas-Konzentration ein zündfähiges Gemisch bildet und gleichzeitig in dem Grubenbereich ein Funke auftritt. Wenn all diese Maßnahmen nicht gegriffen haben um dies zu verhindern, dann passiert so etwas. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Unglück, vor allem im europäischen Steinkohlebergbau, ist sehr gering. Die Maßnahmen sind international bekannt. Auch wir Deutschen arbeiten eng mit den Tschechen zusammen, die technischen Standards sind die gleichen. Aus meiner Sicht ist es im Moment noch nicht erklärbar, was in Karvina geschehen ist.

Es existiert also ein Restrisiko im Bergbau?

Ein Restrisiko ist insofern immer da, weil beispielsweise irgendjemand die Sicherheitsstandards umgeht. Irgendjemand hat zum Beispiel doch geraucht oder falsches Werkzeug benutzt. Der Risikofaktor Mensch ist immer der größte. Aber die Maßnahmen, die getroffen werden, vermeiden das üblicherweise gänzlich. Die letzte Methangasexplosion im deutschen Steinkohlebergbau ist schon lange her.

Sind diese Vorsichtsmaßnahmen weltweit Standard?

Die technischen Möglichkeiten sind überall bekannt. Sie werden aber sicher nicht überall gleichmäßig gut zur Anwendung gebracht. Das hängt auch davon ab, in welcher finanziellen Lage sich ein Förderland befindet und wie die Zulassungsverfahren der Bergbaubetriebe sind. Es gibt nach wie vor Staaten auf der Erde, wo nicht staatlich kontrollierter Abbau, also Schwarzabbau, stattfindet. In diesen Bereichen sind die Risiken besonders hoch.