Sigmar Gabriel kann an dem Beratervertrag bei Tönnies „nichts Problematisches erkennen“. Foto: dpa/Axel Heimken

Der frühere Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, ist ins Kreuzfeuer zahlreicher führender Genossen geraten. Grund ist sein Beratervertrag mit dem Fleischkonzern Tönnies. Auch SPD-Landeschef Andreas Stoch schließt sich der Kritik an.

Stuttgart - Immer mehr führende Genossen äußern ihren Unmut über den früheren SPD-Chef Sigmar Gabriel wegen dessen Beratervertrag für den umstrittenen Fleischproduzenten Tönnies: „Manches sollte man einfach lassen, wenn man sich als Sozialdemokrat seinen inneren Kompass bewahren möchte“, sagte der baden-württembergische SPD-Landeschef Andreas Stoch unserer Zeitung.

Heils Mutter hätte große Zweifel gehabt

Zuvor war Gabriel parteiintern unter anderem von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sowie von der Führung Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wegen dieser Tätigkeit in den Monaten März bis Mai 2020 kritisiert worden. Für das Beratungsverhältnis hat er offenbar ein Pauschalhonorar von 10 000 Euro plus ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag erhalten. Gabriel kann daran, wie er sagte, „nichts Problematisches erkennen“.

Heil sagte der „Bild“-Zeitung: „Das, was er jetzt macht, ist wahrscheinlich legal. Legitim? Darüber muss man diskutieren. Ich sage es mal in den Worten meiner Mutter: Es gibt Situationen, da kommt mir das Gefühl, so was macht man nicht“, so der Arbeitsminister. Gabriel müsse das selbst entscheiden. „Ich bedauere das. Meine Mutter lebt leider nicht mehr. Sie hat Sigmar Gabriel immer sehr gerne gemocht. Die hätte ihm jetzt wahrscheinlich gesagt: Warum machst Du das?“

Belastungsprobe für zwei langjährige Weggefährten

Das Bemerkenswerte an Stochs Äußerung: Ihn und Gabriel verband bisher ein eher enges Verhältnis. Mitte Oktober 2019 war der frühere Vizekanzler und Außenminister der Festredner bei der Feier zum 50. Geburtstag des Landesvorsitzenden in Heidenheim. Kurz zuvor hatte Gabriel seinen Abschied aus der Politik angekündigt.

Unter anderem sinnierte der 60-jährige am Rednerpult, dass die Politik zu zweierlei befähige: Sie könne das Beste und das Schlechte im Menschen mobilisieren – also auch „Neid und Missgunst“. Sozialdemokratie sei aber nicht für sich selbst da, sondern dafür, dass es Deutschland und seinen Nachbarn in zehn Jahren genauso gut gehe wie heute, so Gabriel damals.

Am Donnerstagabend nun verteidigte er gegenüber der „Bild“ seine Aufgabe bei Tönnies, die er selbst nicht öffentlich gemacht hatte: „Ich bin kein Politiker mehr, und ich bin weder dazu verpflichtet noch kann ich so ohne Weiteres Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens preisgeben, an dem auch andere beteiligt sind“, sagte Gabriel. „Ich glaube, dass Clemens Tönnies gerade das Gesicht für den gesamten Corona-Frust in der Bundesrepublik ist.“