Auf einer Bank im Silberwald ahnt man, dass nicht viel geschehen wird. Foto: Michael Werner

Falls wieder ein Lockdown ausgerufen wird, bedarf es Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum. Was kann geschehen, wenn man auf ihnen Platz nimmt? Heute: die Bank im Silberwald.

Stuttgart - Der Silberwald heißt Silberwald, weil im 15. Jahrhundert dort Blei und eben Silber im Erdreich vermutet wurden. So steht es zumindest auf der Website der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH, kurz VVS. Mehr als ein Jahrhundert lang wurde laut VVS nach den Metallen gegraben, gefunden wurde jedoch nie etwas.

Dennoch steigen wir an der Haltestelle Silberwald aus der U-Bahn aus, gehen an Häusern vorbei, die irgendwann auch mal Neubauten gewesen sein müssen, biegen links in das Wäldchen ein und erblicken rechter Hand eine Bank mit Erdloch darunter, ungefähr so, als hätte gerade erst jemand gebuddelt. Aber die Bank ist in keinem besonders einladendem Zustand und die Hose frisch gewaschen. Also weiter in das Wäldchen hinein. Zwei Fahrradfahrer kommen uns entgegen. „‘s klemmt mei händre Brems‘ widdr“, sagt der eine zum anderen. Aha, im Silberwald wird Schwäbisch gesprochen.

Begleitet vom Sound der Schnellstraße im linken Ohr gehen wir weiter geradeaus, entdecken eine weitere Bank, die uns auch nicht gefällt, und Laub, das im August bereits seltsam herbstlich anmutet. Die nächste Bank, die dritte, ist okay. Also Platz genommen zwischen grünem Laub an hohen Bäumen vorne, hinten, rechts, links und oben sowie leblosem Laub in diversen Brauntönen unten.

Ein Ort, an dem nichts geschehen wird

Es gibt Orte auf dieser Welt, an denen man nach fünf Minuten ahnt, dass auch nichts geschehen würde, wenn man 24 Stunden dort verweilte. Die dritte Bank im Silberwald ist so ein Ort. Gut, es kommt ein Fahrradfahrer ohne Profi-Ausrüstung vorbei, was in gewisser Weise bemerkenswert sein mag. Eine weitere Radlerin trägt in der schwülen Hitze ihren Minirock über einer dicken Strumpfhose, was den herbstlichen Gesamteindruck des Silberwaldes verstärkt. Schließlich kreuzt eine radelnde Mutter mit einem selbst gebastelt wirkendenden Kinder-Anhänger. Aber sonst? Wir warten. Wer den Silberwald alleine betritt, wird ihn wahrscheinlich auch alleine verlassen.

Aber die Frau und der Mann mit weißen Haaren, die nach einer Weile tatsächlich gemächlich an dieser Bank vorbei spazieren, sind zu zweit gekommen. Schön sei es gewesen, sagt sie. „Ja“, sagt er. Woraufhin sie einwirft, dass es nun mal sei, wie es sei. Während sie sich entfernen, werden ihre Stimmen wieder leiser, aber wenn nicht alles täuscht, unterhält sich das Paar über eine jüngst besuchte Beerdigung.

Das Geheimnis der pinkfarbenen Markierung

Wir folgen ihm nicht. Stattdessen entdecken wir auf dem Rückweg zur Haltestelle Silberwald pinkfarbene Punkte an diversen Bäumen am Wegesrand. Die werden in Kürze geschlachtet, ähm, geschlagen, also, gefällt, denken wir, als wir den herbstlichen Silberwald im Hochsommer verlassen.

Aber das Gegenteil scheint richtig zu sein: die Anstalt öffentlichen Rechts Forst Baden-Württemberg (ForstBW) klärt uns später auf Anfrage per E-Mail über die pink markierten Bäume auf: „In der Regel sind das sogenannte ,Zukunftsbäume’, die dauerhaft markiert werden, weil sie gezielt durch Waldpflege geschützt werden sollen.“ Das wiederum bedeute – so erklärt ForstBW am Telefon –, dass der „Bedränger“ eines „Zukunftsbaumes“ „entfernt“ werde. Und ein Bedränger sei ein „enger Nachbar, der in die Krone des Zukunftsbaumes einwächst“. Kurz gesagt: Der pink markierte Baum darf bleiben, sein Nachbar wird gefällt.