Johannes Nägele und sein Vater Hans (von links) würden durch das Gewerbegebiet gut 10 bis 15 Prozent der Anbaufläche verlieren. Als Pächter haben sie keinen Anspruch auf Entschädigung, ihnen gehören nur wenige Parzellen auf dem Gelände. Foto: Werner Kuhnle

Der Lößboden der Benzäcker sei hochwertig und sollte erhalten bleiben. Das fordern die Nägeles in der Diskussion um den Gewerbepark in Mundelsheim.

Johannes Nägele schüttelt den Kopf. „Der Boden ist nicht minderwertig, nur weil er an einer viel befahrenen Straße liegt“, sagt der Landwirt, der die Pläne am Autobahnzubringer L1115 bei Mundelsheim ablehnt. Nägele baut nämlich dort Mais, Weizen, Wintergerste und Raps an, wo ein Gewerbepark auf rund 20 Hektar mit 400 bis 800 Arbeitsplätzen entstehen soll: Auf dem Areal Benzäcker bewirtschaftet er größtenteils in Pacht gut 70 Prozent der Fläche.

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Nägele und sein Vater Hans wollen vor dem Bürgerentscheid in Mundelsheim am 29. Mai die hohe Qualität des Lößbodens ins Bewusstsein rücken. Die Familie habe im Vier-Frucht-Anbau immer die Humusbildung gefördert, die Böden seien sehr gut. „Der Ukraine-Krieg zeigt doch, wie schlimm es wäre, von Nahrungsmitteln aus dem Ausland abhängig zu sein“, sagt der 43-jährige Juniorchef, der von seinem 65-jährigen Vater den Hof übernimmt. Gerade zuletzt seien viele Kunden zunehmend besorgt in den Hofladen gekommen, um sich mit Dosen einzudecken. „Wir beruhigen sie und sagen ihnen, dass wir ihnen als Kunden das Fleisch aus eigener Schlachtung weiterverkaufen werden.“ Regionale Betriebe seien in der Fleischproduktion wichtig: „Sie bieten für den Verbraucher nachvollziehbare tierfreundliche Produktionsbedingungen.“

Die Nägeles befürchten erhebliche Nachteile für ihren Betrieb

Die Nägeles treibt die Sorge um, dass sie schon mit dem Verlust von etwa 15 von 100  Hektar ihrer Anbaufläche selbst in Schwierigkeiten kommen könnten. „Es klingt auf den ersten Blick nicht viel, wenn man 10 bis 15 Prozent Ackerfläche verliert“, sagt Nägele junior. Aber man habe bei Missernten auch schon Getreide für die Schweinefütterung zukaufen müssen. Ein weiteres Problem: Die Gülle der rund 1300  Mastschweine müsse aufs Feld – das aber sei wegen gesetzlicher Mengenbegrenzungen pro Hektar dann nicht mehr gänzlich möglich. „Einen Teil müssten wir an Kollegen abgeben, was aber umständlich ist.“ Die Kosten würden steigen, und für einen Teil der Fläche müsste stickstoffhaltiger Dünger gekauft werden, dessen Preis durch die Energiekrise explodiert sei.

Was zählt mehr: Regionale Kreisläufe oder Wohlstand in der Region?

Die regionalen Kreisläufe erhalten – das ist das Ziel der Nägeles, die auch Getreide an Mühlen verkaufen und mit anderen Hofläden – etwa in Walheim, Großbottwar oder Affalterbach – einen regen Warenaustausch pflegen. „Unser Boden ist unser Leben, er ist unser Kapital“, sagt Vater Hans Nägele. Warum nutze der Zweckverband Ottmarsheimer Höhe nicht die verbliebenen Flächen der Mergeläcker im in der Luftlinie 300 bis 400  Meter entfernten bestehenden Industriegebiet?, fragen sich die beiden Landwirte. Tatsächlich hat die Gemeinde Mundelsheim diese Erweiterung in den Mergeläckern 2019 abgelehnt, weil die Kommune nur mit einem Gewerbesteueranteil von 17 Prozent im Zweckverband beteiligt ist – und dieser Anteil auch bei einer Erweiterung des Gebietes nicht gestiegen wäre. In einem Gewerbepark Benzäcker flössen rund 60 Prozent der Gewerbesteuer in die Mundelsheimer Gemeindekasse. Zudem hofft die Kommune auf große Hochtechnologie-Firmen.

Die Gemeindeverwaltung um Bürgermeister Boris Seitz will mit dem Gewerbepark einen Beitrag für den Erhalt des Wohlstands in der Region leisten. Ersatzflächen für die Nägeles als Pächter müsse man nicht, aber wolle man stellen, so Seitz – doch bisher habe die Gemeinde nur etwa fünf Hektar aufkaufen können und diese Flächen seien noch dazu nicht am Stück. Mit Nägeles habe er versucht, an Äcker eines Ottmarsheimer Betriebs zu kommen, der aber wohl erst in zwei Jahren aufhören wolle. „Wie gesagt: Herr Nägele könnte uns egal sein, ist er aber nicht, wir tun was in unserer Macht steht.“

Landwirte sehen frühe Flächenversiegelung kritisch

Ein Gewerbepark in Autobahnnähe sei für die Gemeinde Mundelsheim sicher verlockend, weil es weit genug von Wohngebieten liege, räumen Vater und Sohn Nägele ein, doch ändere dies nichts an der Tatsache, dass Flächen für die regionale Nahrungsmittelerzeugung vernichtet würden. Johannes Nägele schlagen daher vor, als Standorte eher Industriebrachen in der Region Stuttgart zu nehmen, denn die seien bereits versiegelt. Doch solche Flächen wie etwa das ehemalige Werzalit-Areal in Oberstenfeld werden vor allem für die Wohnbebauung genutzt.

Nägele: „Einmal bebautes Land ist für die Ewigkeit verloren.“

Verständnis dafür, dass die Gemeinde Mundelsheim und die Region bei der Ansiedlung eines großen Unternehmens mit vielen Arbeits- und Ausbildungsplätzen einen Schub für die Infrastruktur erhalten kann, hat Johannes Nägele nur bedingt. Wie der BUND sieht er die Kommunen ständig in der Rolle, Flächen auf Jahre im Voraus anzubieten. „Manche Autobaufirmen fahren zweigleisig, weil es Verbrenner und E-Autos geben muss“, denkt er, doch zahle die Gesellschaft einen hohen Preis: „Das einmal bebaute Land kann nicht mehr zurückgebaut werden – es ist für die Ewigkeit verloren.“ Im Ballungsgebiet sei die Situation schwierig: „Wenn alles knapp ist, muss man dort doch nicht noch ein Industriegebiet ausweisen.“

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