Im vorigen Jahr war die Welt der Familie Marino noch glücklich und ungetrübt: Vater Daniele, Sohn Michele, Töchterchen Mariella und die Mutter Mariarosa.The Choristers – Raphael Schmid (links) und Felix Beyer – haben sich spontan fürs Benefizkonzert angeboten. Foto: privat

Der zweijährige Michele Marino hat eine tückische Krebserkrankung. Für eine eventuelle Behandlung im Ausland sammelt die junge Familie Spenden. Auch die Stadt Fellbach hilft – und stellt das Rathausfoyer für eine Veranstaltung zur Verfügung.

Fellbach - Der diesjährige Sommerurlaub der Familie Marino bleibt als besonderer in Erinnerung. Nicht, weil der Aufenthalt in Italien so außergewöhnlich war, sondern weil damals ihre Welt noch in Ordnung schien. Kurz danach brach sie förmlich zusammen: Ärzte diagnostizierten bei Söhnchen Michele, zwei Jahre alt, Krebs. Ängste, Leid und Schmerz prägen seither das Leben der jungen Familie. Aber sie erfährt auch viel Unterstützung und Rückhalt. Zum Beispiel vom Arbeitgeber von Daniele Marino, der Stadt Fellbach. Sie ermöglicht etwa ein Benefizkonzert im Rathaus, bei dem Geld für die Behandlung des kleinen Patienten gesammelt werden soll.

Michele wurde stationär aufgenommen, wegen des Verdachts auf Leukämie

Michele hat am 26. Juni seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Zwei Monate später fiel den Eltern Mariarosa, 24, und Daniele Marino, 27, auf, dass der Bauch des Kleinen größer war. „Wie Luft drin“, sagt sein Vater. Die Vergrößerung bildete sich zurück, kam wieder, verschwand, kam wieder. Der Kinderarzt fand nichts. Und weil Michele keine Beschwerden hatte, genoss die junge Familie – die vierjährige Mariella komplettiert das Glück – den anstehenden Italienurlaub. „Aber ich traute dem Frieden nicht“, erzählt Daniele Marino. Zu Recht, wie sich herausstellen sollte. Ein anderer Arzt schaute sich den Jungen an, entdeckte im Ultraschall eine vergrößerte Milz und eine stark vergrößerte Leber – und überwies den Patienten ans Olgahospital nach Stuttgart.

Während Vater Marino kurz auf der Toilette war, kamen die Untersuchungsergebnisse. „Unser Sohn hat Krebs“, empfing ihn seine Frau tränenüberströmt, er selbst brach zusammen. Michele wurde stationär aufgenommen, wegen des Verdachts auf Leukämie wurde das Knochenmark des Kleinen punktiert. Nach einer Woche Ungewissheit, „das war nur schwer auszuhalten“, sagt Daniele Marino, stand die konkrete Erkrankung fest: Neuroblastom. Das ist eine Krebserkrankung des Nervensystems, die in der Regel Kleinkinder bis zum sechsten Lebensjahr betrifft. Bundesweit erkranken rund 150 Kinder im Jahr daran. Neuroblastome sind sogenannte bösartige solide Tumore. „Aber Krebs ist behandelbar“, habe der Arzt im Krankenhaus Hoffnung gegeben.

Daniele Marino, bei der Stadt Fellbach im kommunalen Ordnungsdienst KOD beschäftigt, recherchiert viel, was die Krebserkrankung seines Sohnes betrifft

Bei Michele ist bereits das vierte von vier Krankheitsstadien erreicht, zudem wurde das Onkogen MYCN festgestellt, was auf aggressive und resistente Tumorzellen hindeutet. Zurzeit bekommt der Zweijährige die dritte Chemotherapie, und die Therapie schlägt offenbar an, nachdem die erste Chemo schwere Nebenwirkungen wie Wassereinlagerungen und drohendes Nierenversagen hatte. Daniele Marino bleibt bei aller Zuversicht skeptisch. „Die Chance, dass er nach fünf Jahren ohne Krebs bleibt, liegt bei nur 30 Prozent.“ Jedenfalls bei der Ausprägung des Krebses, den sein Sohn hat.

„Er ist ein Kämpfer, unser kleiner Löwe“, sagt der 27-Jährige. Im Alltag der Familie dreht sich so vieles um ihn, aber seine Schwester darf natürlich nicht zu kurz kommen. „Nicht aufgeben“ ist die Devise, Mama und Papa wollen auch für ihre Tochter da sein. Die Kinder sollen Optimismus spüren, nicht die Angst der Eltern. Auch wenn das Krankenhaus „unser zweites Zuhause ist“.

Nicht nur im Netz erfährt die junge Familie große Solidarität

Daniele Marino, bei der Stadt Fellbach im kommunalen Ordnungsdienst KOD beschäftigt, recherchiert viel, was die Krebserkrankung seines Sohnes betrifft. Er will vorbereitet sein, falls die als nächstes anstehende Antikörperbehandlung von Michele nicht anschlägt oder es zu einem Rückfall kommt. Dann setzt er auf Hilfe im Ausland. „In New York wurde eine andere Antikörperbehandlung entwickelt, die auch in Barcelona angewandt wird“, erzählt er. Von Ärzten dort holt er gerade eine Zweitmeinung ein. Auch wenn spanische Krankenhäuser viel günstiger als die in den USA arbeiten, stünden im Fall der Fälle rund 190 000 Euro Kosten an, die die deutsche Krankenkasse nicht trägt, weshalb die Familie den Weg an die Öffentlichkeit geht. Auf einer Online-Spendenplattform haben die Marinos ihre Situation geschildert, rund 60 000 Euro sind bereits gesammelt. Sollte das Geld doch nicht für Micheles Behandlung nötig werden, soll es weitergegeben werden, damit andere Kranke profitieren.

Foto: privat

Nicht nur im Netz erfährt die junge Familie große Solidarität (Michele ist unter little_micky2 bei Instagram zu finden), sondern auch im wahren Leben. So zeigt sich immer wieder Fußballprominenz auf der Krankenstation im Olgahospital, es gibt viele Rückmeldungen und Trost, auch seine Arbeitskollegen des KOD seien toll, sagt Daniele Marino: Sein Chef war bereits dreimal zu Besuch im Krankenhaus. Sogar die oberste Chefin, Oberbürgermeisterin Gabriele Zull, kam. „Da ist ein Arbeitgeber doch in der Pflicht“, meint Birgit Rögele, ihre persönliche Referentin. „Die Betroffenheit im Haus ist groß“, sagt die Rathaussprecherin Sabine Laartz. Bei einem Spendenkässchen am Rathausempfang soll es nicht bleiben.

Im Foyer des Rathauses wird es bald Musik geben. Raphael Schmid und Felix Beyer, zusammen treten sie als The Choristers auf, boten spontan ihre Hilfe an. Das Duo spielt unplugged Coverversionen bekannter Rock- und Poptitel, Oldies und Aktuelles. Aber „wir haben unseren eigenen Stil“, kündigen die beiden an. Ein Bäcker und ein Metzger aus Fellbach steuern Kulinarisches zu einem Benefizkonzert bei, auch ein Getränkehändler und die Weingärtner sind mit von der Partie. „Zusammen sind wir stark für Michele“, sagt Daniele Marino über das Engagement. „Ich würde es mir nicht verzeihen, nicht alles getan zu haben.“