Benedict Cumberbatch spielt in London Hamlet Foto: dpa

Er sorgt für volle Theater, Riesenrummel in den Medien und Schlangen an den Verkaufskassen: Benedict Cumberbatch, der Darling der britischen Filmszene, steht derzeit als Hamlet in London auf der Bühne. Der Hype um den Schauspieler ist ins Theater geschwappt.

London - Der Anlass zur Aufregung fährt zu Beginn des Abends aus dem Bühnengraben herauf, grübelnd sitzt er auf einem aufgeklappten roten Plattenspielerwürfel, um ihn herum stehen Kisten voller alter Erinnerungen. Der Dänenprinz in Jeans und Pullover wirkt zur Musik von Nat King Cole verträumt, verzaubert.

Und doch ist es weniger Shakespeares Hamlet als sein Darsteller Benedict Cumberbatch, der zurzeit London und vor allem seine riesige Anhängerschar verzaubert. Angeblich waren die Karten für die Aufführungen des Klassikers im Barbican-Theater schneller ausverkauft als für alle anderen in der Geschichte des britischen Theaters. Etwa 20 000 Menschen sollen bereits vor einem Jahr mehrere Stunden in einer Online-Warteschleife für die begehrten Tickets verbracht haben. Derzeit bilden sich vor den Schaltern jeden Morgen, manchmal schon um Mitternacht, Marathon-Schlangen, da Fans des Superstars hoffen, eine der zurückgehaltenen Karten zu ergattern.

Cumberbatch weist seine Fans zurecht

Allein dies sorgt schon für ein tägliches Schauspiel. „Hamlet“ folgt am Abend, und alle reden darüber. Erst waren es die teils vernichtenden Kritiken, die die Inszenierung des Stücks in die Schlagzeilen hievten. Die Zeitung „The Times“ ätzte etwa, zu sehen sei nur „Hamlet für Kinder“. Die meisten Medien feierten jedoch den Darling der britischen Filmszene.

Während einer der ersten Aufführungen sorgte Cumberbatch dann selbst für den Rummel. Während oder kurz nachdem der 39-Jährige die berühmten Worte „Sein oder Nichtsein“ von sich gab, unterbrach er plötzlich den Monolog, um ihn erneut zu beginnen. Später erklärte er sich: „Ich sehe immer rote Lichter im Publikum.“ Er meinte die zahlreichen Handys und Aufnahmegeräte, mit denen Fans – in sozialen Netzwerken nennen sie sich „Cumberbitches“ – ihren Star festhalten wollten. „Für einen Schauspieler auf der Bühne kann ich mir nichts vorstellen, was mir weniger Freude bereiten würde“, ließ er wissen. Jene Besucher würden dadurch vor allem sich selbst eines besonderen Erlebnisses berauben. „Ich kann euch nicht das bieten, was ich euch eigentlich bieten möchte: einen Live-Auftritt, den ihr in Erinnerung behaltet. Und zwar hoffentlich in euren Köpfen – ob gut, schlecht oder gleichgültig – und nicht in euren Telefonen.“

Als Sherlock Holmes zum Star geworden

Der Hype um Cumberbatch, er ist ins Theater geschwappt. Aber könnte es für den Briten eine bessere Rolle geben als jene des facettenreichen Prinzen, der über Leben und Tod sinniert? Immerhin rührt sein Weltruhm von der Darstellung isolierter Männer. In Gestalt der Detektiv-Ikone Sherlock Holmes in dunklem Mantel begeisterte der Charismatiker seine Fans. Den genialen Code-Knacker Alan Turing verkörperte er in dem Film „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ derart grandios als tragisches Genie, dass er für einen Oscar nominiert wurde. Der Mann mit den schräg stehenden grünen Augen, den hohen Wangenknochen und der tiefen, tragfähigen Stimme gilt als Großbritanniens berühmtester Schauspieler-Export.

Dabei fällt Cumberbatch, der Absolvent der Eliteschule Harrow ist und in einer gut betuchten Schauspielerfamilie in London aufwuchs, vor allem durch Auftritte voller Understatement, Höflichkeit und Perfektionismus auf. Er fühlt sich wohl in der Rolle des Gentlemans in der englischen Gesellschaft. Und füllt sie mit britischer Klasse aus.

So gab er etwa die Verlobung mit der Theaterregisseurin Sophie Hunter im November vergangenen Jahres auf altmodische Art und Weise in einer Kleinanzeige der ehrwürdigen „Times“ bekannt. Im Juli kam der gemeinsame Sohn zur Welt.

Von der Queen zum Ritter geschlagen

Für Cumberbatch könnte es also sowohl beruflich als auch privat nicht besser laufen, er steht auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Die Queen hat ihn kürzlich sogar zum Commander of the British Empire gekürt. Und nun spielt er die Traumrolle jedes theateraffinen Schauspielers und steht im Zentrum des Rummels. Noch bis zum 31. Oktober dreht sich im Londoner Barbican-Theater alles um den Superstar.

Manche werfen dem Stück, das sich völlig auf die Hauptfigur konzentriert, deshalb eine übertriebene Idolisierung vor. Doch ist Shakespeares „Hamlet“ selbst nicht vor allem eine Ein-Mann-Show? Nur die Auslegung lässt offenbar interpretatorischen Spielraum. Für manche ist der Protagonist Hamlet, für viele andere, vor allem für die weiblichen Zuschauer, heißt er einfach nur: Benedict Cumberbatch.

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