Andrea Eskau gibt im Schlitten Vollgas. Auch bei der WM 2017 will sie vorneweg fahren – genauso wie bei Olympia in Rio mit dem Handbike Foto: dpa

21 WM-Titel hat Andrea Eskau schon eingeheimst und fünf Goldmedaillen bei Paralympics – mit dem Sitzschlitten und dem Handbike. Genug hat die 44-Jährige aber noch lange nicht – und blickt nach Rio.

Finsterau - Im kleinen Dorf Finsterau im Bayerischen Wald liegt momentan reichlich Schnee bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. In der Millionenstadt Rio de Janeiro treibt die Sonne das Quecksilber auf 34 Grad hoch. Scheinbar verbindet diese fast 9800 Kilometer voneinander entfernten Orte nichts. Doch für die mehrmalige Paralympics-Siegerin Andrea Eskau bedeuten sie alles: Über Finsterau geht es für sie nach Rio und zurück nach Finsterau – sie bewegt sich zwischen Winter-Welt und Copacabana.

Der in dieser Woche laufende Weltcup im Skilanglauf und Biathlon im Bayerischen Wald ist für die Behindertensportlerin die einzige Wintersport-Station auf dem Weg zu den Paralympics in Rio de Janeiro in diesem Sommer. Dort startet die 44-Jährige im September als Favoritin. „Auf den Paralympics liegt bei mir in diesem Jahr der Fokus. Dort möchte ich gern Gold gewinnen“, erzählt Eskau: „Finsterau ist für mich aber eine wichtige Zwischenstation. Zum einen als Leistungstest auf dem Weg nach Brasilien, zum anderen ist der nächste Höhepunkt nach Rio für mich ja die WM in Finsterau.“

Eskau hat den Spitznamen Tigerin.

2017 gehen in dem wintersportbegeisterten Örtchen die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften für Behinderte über die Bühne. Und Andrea Eskau ist eben nicht nur eine überragende Handbikerin im Sommer, sondern auch eine grandiose Sitzschlittenfahrerin. Bei den Winter-Paralympics 2014 hatte sie zweimal Gold gewonnen, bei der letzten Ski-WM 2015 sogar drei Titel. Insgesamt hat sie 21 Weltmeistertitel eingeheimst – jahreszeitenübergreifend. Womit die grauhaarige Frau, die wegen ihres unermüdlichen Kampfgeists den Spitznamen „Tigerin“ trägt, noch keinesfalls mit dem Thema Medaillenjagd abgeschlossen hat.

„Bis zu den Winter-Paralympics 2018 in Pjöngjang will ich in jedem Fall weitermachen“, sagt sie. Deshalb will sie auch an diesem Wochenende unbedingt bei den Sprintrennen im Sitzschlitten in Finsterau starten, obwohl sie gerade erst eine Bronchitis überwunden hat. „So kann ich mir die WM-Strecken anschauen und wichtige Informationen sammeln, was ich mit Blick auf den Höhepunkt im nächsten Winter im eigenen Land trainieren muss“, sagt sie. Zudem will sie sich mit ihrem einzigen Winter-Weltcup-Start in dieser Saison für die Aufnahme in den deutschen Top-Team-Kader für Pjöngjang 2018 empfehlen, in den sie trotz ihrer zwei Winter-Paralympics-Triumphe von 2014 bislang nicht aufgenommen wurde. Es geht dabei um eine finanzielle Unterstützung von 400 Euro monatlich für die Frau, die einen Großteil ihrer Einkünfte in den Sport investiert. „Ich finde es ja gut, dass sie in Richtung Nachwuchs denken. Die müssen den Staffelstab auch irgendwann von mir übernehmen.“

Eskau wirbt für ihren Sport.

Dabei war bei allen sportlichen Höhepunkten seit 2003 bislang auf die nach einem Fahrradunfall 1998 querschnittsgelähmte Andrea Eskau als Titelgarantin und deutsche Vorzeigefigur Verlass. Vor dem Großereignis in der schwülen Hitze Brasiliens („Das Klima ist für mich als Asthmatikerin nicht so prickelnd“) will sie im eiskalten Finsterau nun Werbung für den Behindertensport im Winter machen. Der steht in einer Saison ohne WM und Paralympics noch mehr im Schatten der Öffentlichkeit als sonst. „Dabei sind die Rennen wie der Sprint rasant und die Leistungen wirklich spektakulär“, sagt sie. Besonders spektakulär ist ganz sicher ihre Leistung als Multitalent im Winter und Sommer – ob nun in Finsterau oder Rio de Janeiro.