An der einen Stelle steht schon das Betonskelett, links ist das bestehende Gebäude zu sehen, wo die Fassade Foto: factum/Weise

Die Bauarbeiten für eine neue Produtkionshalle im Daimler-Werk sind im Zeitplan, obwohl der Fund von drei Fliegerbomben Verzögerungen verursacht hat. Von September 2018 an soll dort die Karosserie der S-Klasse gefertigt werden.

Sindelfingen - Bislang war die Baustelle vor allem wegen des Fundes von Fliegerbomben in den Nachrichten. Am Freitag hat Daimler vorgeführt, dass im Sindelfinger Werk längst wieder alles nach Plan läuft: Momentan werden die letzten Fundamente betoniert, während am anderen Ende des Gebäudes schon an der Unterkonstruktion für das Dach gearbeitet wird. „Unglaublich, was in der Kürze der Zeit aus dem Boden schießt“, sagte Michael Bauer, der Standortverantwortliche bei einer Baustellenbesichtigung. Der Termindruck sei immens sowie der logistische Aufwand, weil die normale Produktion weiterläuft. Das L-förmige Gebäude schmiegt sich an die bestehende Rohbauhalle an, die später darin integriert wird. In dem teilweise dreistöckigen Bauwerk wird von September 2018 an die Karosserie für die S-Klasse und die neuen Elektroautos gefertigt.

Daimler setzt in Sindelfingen auf Zukunft

„Es freut mich, dass Daimler in Sindelfingen auf Zukunft setzt und Zukunft schafft“, sagte der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer. Er wollte sich ebenso ein Bild vom Baufortschritt machen wie der Landrat. Nach Roland Bernhards Berechnungen handelt es sich bei der Baustelle immerhin um die zweitgrößte in Baden-Württemberg nach Stuttgart 21. Er habe Respekt vor dieser Investitionsentscheidung, erklärte er. „Wir bauen nicht nur die schönsten Autos, sondern auch gigantische Fabriken“, sagte Peter Kubiena, der Leiter für die Fabrikplanung des Konzerns. Seine These untermauerte er mit beeindruckenden Zahlen: 230 000 Kubikmeter Erde wurden ausgehoben, 40 000 Tonnen Beton benötigt das Bauwerk. Aus den 6000 Tonnen Stahl, die die Halle tragen, könnten sich 13 000 S-Klasse-Karossen machen, rechnete er vor. Ein Stern wird das Ganze am Ende krönen, nicht der alte vom abgerissenen Krawattenbau, sondern ein LED-technisch beleuchteter, sagte Kubiena noch.

Genau 146 Einzelstützen mit einem Umfang von einem Meter mal einem Meter tragen das Gebäude. Eine von ihnen wiegt fast 90 Tonnen. Ein Raupenkran stellt sie an ihren richtigen Platz. „Viel größer geht nicht“, sagt Robert Coric von der Fabrikplanung über die Maschine. Auch ein Turmdrehkran auf Schienen mit einem 75 Meter langen Ausleger ist auf der Baustelle im Einsatz. Gearbeitet wird mit Fertigteilen und in Mischbauweise. Die Stützen ragen weit in die Höhe, das Gebäude wird nach Fertigstellung 46 Meter hoch sein. Lastwagen können auf allen drei Stockwerken fahren, die Rampe ist schon zu erkennen. Während an einer Stelle noch die Grube für ein weiteres Fundament ausgebaggert wird, sind Bauarbeiter an einer andere Stelle in einem oberen Stockwerk damit beschäftigt, eine Zwischendecke einzulassen. Mit dem Rohbau sind momentan rund 120 Bauarbeiter beschäftigt, wenn es dann an den Ausbau geht, wird ihre Zahl auf 300 steigen.

Noch vor Weihnachten kommt die Fassade

Das Betonskelett präsentiert Daimler bei der Baustellenbesichtigung. Aber es wird schnell vorangehen: „Ich hoffe, dass man vor Weihnachten schon die Fassade sieht“, sagt Robert Coric. Im Frühjahr soll das Gebäude voll ummantelt sein. Bis zum nächsten Herbst soll die Rohbau-Fertigung, die Lackierung und die Montage darin laufen – zum Anlauf der neuen S-Klasse. Mit dem Neubau und der alten Halle stehen der Produktion dann rund 120 000 Quadratmeter zur Verfügung. „Das große Volumen und die geringe Zeit sind die Herausforderung“, erklärt der Fabrikplaner Robert Coric. Die Bauarbeiten konnten erst im Mai richtig beginnen.

Immerhin ist kaum mehr mit weiteren Verzögerungen durch Bombenfunde zu rechnen. Im Februar waren kurz nacheinander zwei Fliegerbomben zu Tage gefördert worden, worauf die Baustelle still gelegt wurde. Im April wurde noch ein dritter Sprengsatz entdeckt. Am Freitag sind auf dem Baustellengelände die letzten Löcher gegraben worden, so dass der Konzern erst einmal Entwarnung geben kann.

Leit-Werk

Investition
: Vor drei Jahren haben sich das Unternehmen und der Betriebsrat auf ein Zukunftsbild für das Sindelfinger Daimler-Werk geeinigt – und die Investition von 2,1 Milliarden Euro in den Standort. Rund 1,5 Milliarden Euro fließen in die Produktion und die Infrastruktur des Werks, 600 Millionen Euro werden für Forschung und Entwicklung ausgegeben.

Ziel
: Sindelfingen steuert künftig als „Lead-Werk“, wie es im Daimler-Jargon heißt, die Fertigung der E- und S-Klasse-Baureihe innerhalb des weltweiten Produktionsnetzwerks von Mercedes-Benz. Außerdem wird das Werk Kompetenzzentrum für Elektrofahrzeuge der Ober- und Luxusklasse der neuen Marke EQ. Diese Autos werden auf einer „eigens für batterieelektrische Modelle entwickelten Architektur“ basieren, die modellübergreifend einsetzbar ist. Für die Mitarbeiter gibt es ein umfassendens Qualifizierungsprogramm.