Durch den radikalen Rückschnitt nur noch ein Skelett. Foto: Patricia Sigerist

Im Wohngebiet rund um die Meißner Straße in Schmiden sorgt eine radikale Baumpflege-Aktion für Kopfschütteln. Ohne Rücksicht auf Tierwelt, Schall und Schatten seien Bäume buchstäblich entlaubt worden. Die Stadt sieht sich auf der sicheren Seite.

Schmiden - Ein radikaler Rückschnitt an Strauch, Baum und Hecke ist eigentlich nur im Winterhalbjahr erlaubt. Von März bis Oktober müssen Heckenschere und Motorsäge schweigen. Das stimmt zwar nicht ganz, weil das Landesnaturschutzgesetz zahlreiche Sonderregelungen und Ausnahmen erlaubt. Doch bei Gartenfreunden und Stücklesbesitzer hat sich die Faustregel vom sommerlichen Kahlschlag-Verbot so ins Gedächtnis eingebrannt.

Gut eine Woche dauerte der in Abschnitten durchgeführte Radikalschnitt

Umso überraschter war die Nachbarschaft, als Baumpfleger jüngst Hand an die Platanen in der Meißner Straße in Schmiden legten – und etwa 70 Bäume in dem großen Wohngebiet buchstäblich entlaubten. Wo eben noch dichter Wuchs sommerlichen Schatten spendete, ragen nun astige Skelette in den Himmel. Gut eine Woche dauerte der in Abschnitten durchgeführte Radikalschnitt. Anwohner sprechen verärgert von einem „Kahlschlag statt einer Baumpflegemaßnahme“ – und zweifeln sowohl am Sinn als auch an der Rechtmäßigkeit der Laubarbeiten.

„Der Vegetationszustand der Bäume wurde völlig ignoriert, möglicherweise auch Brutstätten von Vögeln. Dem Blattwerk vollständig beraubt ist Beschattung der Umgebung sowie Schalldämmung für die nächsten zwei Monate ausgeschlossen. Und für Vögel gibt es weder eine sichere Deckung in diesen Bäumen noch Nahrung in Form der dort sonst lebenden Insekten“, beschwert sich Walter Hartmann über das Ausmaß und den Zeitpunkt der Arbeiten.

Fast noch mehr als der Rückschnitt selbst ärgert den Anwohner, dass über die Baumpflege-Aktion offenbar nur spärlich informiert wurde. Ein von Mitarbeitern einer Gartenbaufirma aufgestelltes Parkverbotsschild für die privaten Stellplätze unter den Platanen und ein angehefteter Hinweis auf den Baumschnitt – mehr Erklärung habe es nicht für den Radikalschnitt gegeben. Auch die Nachfrage beim Grünflächenmanagement im Fellbacher Rathaus brachte Walter Hartmann nicht weiter: Am Telefon erhielt er eine aus seiner Sicht allenfalls oberflächliche Antwort, eine ans Tiefbauamt geschickte Mail mit Fragen zum Rückschnitt blieb eine Woche lang ganz ohne Reaktion.

Auf brütende Vögel sei selbstverständlich Rücksicht genommen worden

Dabei muss die Stadt nach Darstellung von Rathaussprecherin Sabine Laartz beim Auftrag für die Baumpflege gar kein schlechtes Gewissen haben. Zwar räumt die städtische Mitarbeiterin ein, dass der Rückschnitt vergleichsweise spät erfolgt ist. Auf brütende Vögel sei selbstverständlich Rücksicht genommen worden. Und aus fachlicher Sicht hätte die Baumpflege sogar noch bis Mitte Juni erfolgen können.

„Grundsätzlich sind die Platanen für das Quartier deutlich zu groß. Sie scheinen sich aber sehr wohl zu fühlen, da sie ein starkes Wachstum an den Tag legen“, erklärt Laartz. Bereits vor mehr als zehn Jahren habe es deshalb an den Bäumen in der Rosensteinstraße und der Meißner Straße einen radikalen Rückschnitt gegeben. Seither würde das Grün im Zwei-Jahres-Turnus auf die seinerzeit gekappten Aststellen zurückgeschnitten. „So wird der Wuchs eingebremst und die Bäume auf der Größe gehalten“, teilt die Stadt auf Anfrage mit – und betont, dass Rückschnitte ganzjährig erfolgen dürfen, sofern der Artenschutz berücksichtigt ist. Dass das Fellbacher Grünflächenamt die Baumpfleger gern früher in Marsch gesetzt hätte, ist kein Geheimnis. Sabine Laartz: „2018 begann durch die frühzeitige Wärmeperiode der Grünaustrieb deutlich früher als sonst. Parallel ist die Auftragslage bei Gartenbau-betrieben sehr gut. Beide Faktoren führten dazu, dass der Baumschnitt erst im Mai erfolgte – als die Blätter schon ausgetrieben waren.“ Natürlich würden Bäume, in denen sich Nester bereits brütender Vögel be-finden, vom Schnitt ausgenommen und erst im Herbst an der Reihe. Die beauftragten Baumpflege-Betriebe seien erfahren und von der Stadt ausführlich gebrieft.