Auf dem Grundstück an der Fellbacher Straße soll ein neues Wohngebiet entstehen. Foto: Dirk Herrmann

Der „ortsbildprägende Baum“ auf dem Grundstück an der Westseite der Fellbacher Straße in Schmiden muss nach Vorgabe der Stadt erhalten bleiben. Das dahinter liegende Haus wird allerdings zugunsten des neuen Wohngebiets abgerissen.

Schmiden - Sage noch einer, in Fellbach habe man kein Herz für Bäume. Dabei hat die Stadtverwaltung im Zuge der beschlossenen Bebauung des alten Freibadgeländes am Fuße des Kappelbergs erheblich Prügel einstecken müssen. Die Vorwürfe gipfelten in dem Verdikt, man betreibe eine „Radikalrasur“, ja den „Kahlschlag“ auf dem Gelände an der Untertürkheimer Straße. Selbst die prächtige Lindenallee, vielen ehemaligen Freibadgängern bestens in Erinnerung, werde nicht verschont.

Zuletzt allerdings gelang es der Rathausspitze, die Diskussion zu entschärfen. Im Zuge der Wohnbauoffensive 2020 solle dort, so Baubürgermeisterin Beatrice Soltys, „ein dichtes, aber zugleich durchgrüntes Wohnquartier entstehen“, die Baumstruktur bleibe „über die festgelegten schützenswerten Bäume hinaus“ erhalten.

Der vielleicht 15 Meter hohe Baum ist vielen Fellbachern bekannt

Schützenswerter Baum – in diese Kategorie fällt auch ein anderes Fellbacher Prachtexemplar. Im Fischerjargon würde man von einem Kaventsmann sprechen. Imposante Erscheinung, gewaltige Ausmaße – und dank der dunkelroten Färbung der Blätter steht fest: Der Baum trägt seinen Namen zurecht. Denn es handelt sich um eine Blutbuche.

Der vielleicht 15 Meter hohe Baum ist vielen Fellbachern bekannt; er steht von Schmiden her kommend auf der rechten Seite direkt an der Fellbacher Straße. Genau gesagt befindet sich der Baum auf dem nordöstlichen Zwickel jenes Areals, das einst zur 2013 aufgegebenen Baum- und Rosenschule Schönemann gehörte. Die Flächen dieses ehemaligen Gärtnereibetriebs wurden später an einen Wohninvestor veräußert, die Vorbereitungen für die Ansiedlung eines neuen Wohngebiets und für Neubauten der Helmut-von-Kügelgen-Schule laufen. Aus einem entsprechenden Wettbewerb für die künftige Gestaltung ging das Esslinger Architekturbüro Project GmbH als erster Preisträger hervor.

Die Blutbuche ist vielen Fellbachern bekannt. Foto: Dirk Herrmann

Für die Bebauung genutzt werden darf allerdings nicht die komplette Fläche. Vielmehr haben Baubürgermeisterin Beatrice Soltys und das Stadtplanungsamt die Vorgabe klar formuliert: Diese circa 120 Jahre alte Blutbuche ist „ortsbildprägend“, deshalb „muss sie erhalten bleiben“. Und noch konkreter: Von „allen baulichen Maßnahmen freigehalten werden“ muss speziell die Fläche unterhalb der natürlich ausgebildeten Baumkrone – die Experten sprechen hier von dem „Bereich des Kronentraufs“.

Die Blutbuche wiederum wird auch Purpurbuche bezeichnet

Für die Baumsachverständigen im Rathaus ist diese beeindruckende Blutbuche also offenkundig zu wichtig, als dass man der Abholzung zugunsten der in jenem Areal geplanten neuen Häuser zustimmen könnte. Die Blutbuche, unter Pflanzenkundlern als „Fagus sylvatica purpurea“ bekannt, hat den Namen von ihren eiförmigen rötlichen Blättern. Es handelt sich um eine Mutation der Rotbuche – beide Arten unterscheiden sich weder in der Form noch in der Pflege, allerdings in der Farbe der Blätter. „Hierbei handelt es sich um eine Laune der Natur“, heißt es auf der Homepage „gartenjournal.net“. Die Rotbuche hat nämlich trotz ihres Namens grüne Blätter, sie wird nur wegen des leicht rötlichen Holzes so genannt.

Die Blutbuche wiederum wird auch Purpurbuche bezeichnet. Im Laufe der Vegetationsperiode verliert sie aber ihre rote Farbe und ist beim flüchtigen Betrachten im Herbst kaum noch als Blutbuche zu erkennen. Laut dem Internetlexikon Wikipedia werden Blutbuchen mehr als 200 Jahre alt und 30 Meter hoch, das „baumportal.de“ gibt die Höhe sogar mit bis zu 40 Metern an. Mit ihren 120 Jahren ist die Schmidener Blutbuche damit noch nicht im Methusalem-Alter angelangt – frisch genug also, damit die Stadt auf die Weiterexistenz besteht.

Anders verhält es sich mit dem hübschen Haus im Hintergrund, nur ein paar Meter weiter von der Straße entfernt. Auf den Plänen fürs neue Wohngebiet ist an dieser Stelle bereits eines der künftig insgesamt neun freistehenden Gebäude eingezeichnet. Und tatsächlich bestätigt das Presseamt der Stadt auf Nachfrage: Dieses Haus hat – anders als die Blutbuche davor – keinen Bestandsschutz, ist kein erhaltenswertes Gebäude und werde im Rahmen der vorgesehenen „sukzessiven Bebauung“ auf dem gesamten Areal entfernt.