Die „Toilette für alle“ der Wilhelma sei zu schmal, so der Körperbehindertenverband. Foto: LVKM Baden-Württemberg

Es gibt zwar mehr „Toiletten für alle“ im Land. Doch in Stuttgart verzögern sich zwei Projekte. Und die Toilette in der Wilhelma soll für das Klientel zu schmal sein. Kommt für den Wasen nun eine Containerlösung?

Stuttgart - Anne muss gewickelt werden. Bei Ausflügen ist das regelmäßig ein Problem, denn Anne ist nicht 17 Monate, sondern 17 Jahre alt. „Wir mussten sie schon hinter einer Scheune auf dem Boden im Schotter wickeln“, berichtet Ursula Hofmann, Annes Mutter. Als ihre Tochter nun im Rahmen der Ferienbetreuung in der Wilhelma war, haben die Betreuerinnen des Kindergästehauses die schwerstmehrfachbehinderte Jugendliche in ihrer Not draußen auf der Wiese gewickelt. „Es wäre so schön, wenn es bei Ausflugszielen eine „Toilette für alle“ gäbe, gerade in der Wilhelma oder im Killesbergpark“, sagt auch Heike Schulz, eine Erzieherin des Kindergästehauses. Beides seien Orte, wo sie immer ein Problem hätten. Im Zweifel müssten die Kinder in der vollen Windel sitzen bleiben. „Würdelos“, findet Ursula Hofmann die Situation. Die Vorsitzende des Vereins Rückenwind, in dem sich pflegende Mütter zusammengeschlossen haben, mahnt mehr Wickelmöglichkeiten für Menschen an, die inkontinent sind. Inklusion beginne bei der Toilette, sagt sie. Gerade in der Wilhelma, dem Ausflugsziel schlechthin, sei eine „Toilette für alle“, die als solche qualifiziere, „ein Muss“.

Der Wilhelma-Raum eigne sich nicht als „Toilette für alle“

Was daran verwunderlich ist: Die Wilhelma hat schon seit 2016 einen Raum mit Wickelmöglichkeit für Erwachsene. Der Sanitätsraum beim Haupteingang wurde mit Lifter und Pflegeliege ausgestattet. Man habe mit einem Sanitätshaus zusammengearbeitet, so ein Sprecher der Wilhelma. Die Nachfrage sei allerdings bisher gering. Wobei es auch einen Informationsmangel gab. Bis zu unserer Anfrage fand sich kein Hinweis auf das Angebot im Internet, inzwischen hat sich das geändert.

Der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung (LVKM), der vom Sozialministerium mit der landesweiten Koordination des Themas beauftragt wurde, listet die Wilhelma-Toilette allerdings weiterhin nicht als „Toilette für alle“ im Internet. „Wir können sie nicht empfehlen“, sagt die Geschäftsführerin des Verbands, Jutta Pagel-Steidl. Der Raum sei nicht geeignet, er sei viel zu eng für Rollstuhlfahrer und Begleitperson. Das Ganze sei sehr unglücklich, meint sie. Bei der Wilhelma findet man es wiederum „schade, dass man diese Möglichkeit nicht aufführt“. Die Toilette sei auf Anregung des Verbands umgerüstet worden, ein größerer Raum habe nicht zur Verfügung gestanden.

Fertigstellung der Anlagen Klett-Passage und Rathausgarage zieht sich jeweils hin

Seit im Februar 2016 in Waldkirch (Landkreis Emmendingen) die erste „Toilette für alle“ in Baden-Württemberg eröffnet wurde, hat sich einiges getan. 44 Angebote gibt es laut LVKM im Land, davon fünf in Stuttgart: in der Mercedes-Benz-Arena, im Landtag, beim Körperbehindertenverein, im Haus des Waldes und im Milaneo. Bei der Landesmesse, wo im Januar 2018 eine Toilette für alle eröffnet wurde, sei bereits eine zweite geplant und genehmigt, so Pagel-Steidl.

Bei dem Thema werde mit unterschiedlichem Tempo und Engagement vorgegangen, berichtet sie. In Stuttgart führt sie das Milaneo als Positivbeispiel an, die Centermanagerin habe schnell und unkompliziert agiert. „Das war allererste Sahne.“ Davon könnte sich ein Akteur ihrer Meinung nach eine Scheibe abschneiden – die Stadt Stuttgart selbst. Für zwei „Toiletten für alle“ hat die Stadt Fördermittel vom Land bekommen: für den Umbau der Toilette in der Klett-Passage und das Angebot in der Rathausgarage. Doch die Fertigstellung zieht sich in beiden Fällen hin. Die Mittel für die Klett-Passage sind bereits 2016 geflossen. Der Eröffnungstermin wurde mehrfach nach hinten geschoben. Warum dauert es so lange, eine Toilette umzubauen? Als Gründe für die Verzögerung gibt eine Sprecherin der Stadt an, dass mit Stadt, Architekt, Deutscher Bahn, SSB und Polizei besonders viele Akteure beteiligt und Interessenslagen abzustimmen waren. In der Woche 9. bis 15. September solle aber die Fertigstellung sein. Die Anlage in der Eichstraße (Rathausgarage) solle „noch in diesem Jahr“ fertig werden.

Containerlösung für den Cannstatter Wasen?

Damit Menschen, die auf Wickelmöglichkeiten angewiesen sind, auch Veranstaltungen besuchen können, haben erste Kommunen Container mit „Toilette für alle“ angeschafft, im Land die Stadt Reutlingen. Auf dem Münchner Oktoberfest steht solch ein Container ebenfalls. Auch für Stuttgart haben beispielsweise Mütter des Vereins Rückenwind solch eine Lösung schon angeregt. Die CDU hat die Idee aufgegriffen. Inwiefern „auch für Stuttgart eine Containerlösung für den flexiblen Einsatz bei Großveranstaltungen in Frage kommen könnte“, fragt sie in einem Antrag. Die Verwaltung soll zudem ermitteln, welche Kosten und personellen Ressourcen mit einer solchen Anlage verbunden wären.