Der Präsident zieht bei Jimmy Fallon (re.) eine Bilanz seiner Amtszeit – auch musikalisch. Foto: AP

In der „Tonight Show“ von Jimmy Fallon stellt der scheidende US-Präsident Barack Obama ein weiteres Mal sein Unterhaltungstalent unter Beweis. Er nutzt die Welt der Popkultur zum Instrument des Regierens.

Stuttgart - Der Slow Jam ist eine Unterkategorie des Rhythm and Blues, er dient nur einer einzigen Funktion: Sexy muss er sein. Bei den berühmtesten Slow Jams der Geschichte wie Minnie Riperton’s „Every Time He Comes Around“ oder Mary J Blige’s „Touch Me“ wird zu ganz langsamem Blues erotisch ins Mikrofon gehaucht, gehört wird der Jam am Besten zu zweit und bei gedämpftem Licht. Jimmy Fallon benutzt indes in seiner Late Show den Slow Jam dazu, den denkbar unerotischsten Inhalt an den Mann zu bringen. Fallon verliest die Nachrichten des Tages zu einem Slow Jam – ein humoristischer Geniestreich.

Am vergangenen Donnerstag war Barack Obama bereits zum zweiten Mal zu Gast bei Fallon um der Nation gemeinsam mit dem Entertainer anzüglich ins Ohr zu hauchen. Diesmal beflirtete der Präsident das Wahlvolk mit einer Aufzählung seiner Verdienste. 2008, jammte Obama zu den Blues Klängen der Studio Band The Roots etwa ins Mikrofon, habe er das Land aus der tiefsten Krise seit den 30er Jahren gerettet. Und Fallon fügte im Duett hinzu: „Er hat die Seidenlaken ausgebreitet, als das Land gestresst war und Kopfweh hatte und hat uns gesagt: Yes We Can.“

Geplauder über präsidentielle Unterwäsche

Das war ziemlich witzig. Es war aber auch eine überaus effektive Art und Weise, mit Selbstironie und Humor am Tag nach Hillary Clintons Nominierung eine wichtige politische Botschaft zu verbreiten. Es war allerdings auch nicht das erste Mal in den vergangenen Wochen, dass Obama sich als oberster Entertainer der Nation in Szene gesetzt hat. Erst Ende April hatte der scheidende Präsident beim traditionellen Korrespondentendinner im Weißen Haus eine einstündige Stand-Up Nummer abgeliefert, die professionelle Comedians jeglicher Couleur vor Neid erblassen ließ. Kurz davor machte ein Clip die Runde, in dem Obama den Serienstar Jerry Seinfeld im Weißen Haus begrüßt, mit ihm über das Gelände streift, in der Kantine Kaffee trinkt, und über so wichtige Dinge plaudert wie den Stil der präsidentiellen Unterwäsche, den Preis der Berühmtheit und den mutmaßlichen Geisteszustand bestimmter Staatsoberhäupter.

Das alles erweckt den Eindruck eines scheidenden Präsidenten, der zunehmend auf politisches Kalkül und Etikette verzichtet und es sich erlaubt, einfach zu tun, was ihm gerade Spaß macht. Diese Einstellung hat Obama in den vergangenen Monaten tatsächlich zunehmend an den Tag gelegt. Obama tat sorglos Dinge, die ihm garantiertes Sperrfeuer von Rechts eintragen würden: Er reiste nach Kubaund in das Heimatland seines Vaters, Kenia, er wagte Alleingänge in Dingen wie Gefängnisreform, Klimaschutz und Einwanderungsreform, weil er es satt hatte, auf einen obstruktiven Kongress zu warten.

Mit Popkultur regieren

Obamas Vorstoß in den Entertainment Sektor ist jedoch nicht gänzlich neu. Obama war schon 2009 der erste amtierende Präsident, der in einer Late Night Talk Show auftrat. Kurz darauf war er bei „The View“ zu sehen – einer Vormittagstalkshow für ein vorwiegend weibliches Publikum. Und lange vor dem Treffen mit Seinfeld zeigte er sich bei Zack Galifianakis, dem beliebten Online Komiker, um sich bei dessen Show „Between the Ferns“ mit einem vornehmend jungen Publikum ins Benehmen zu setzen. So bezeichnete der Medienwissenschaftler Robert Lichter Obama als „ersten Talk Show-Präsidenten“. Obama habe die Präsenz in diesen Shows, ja seine Präsenz in der Welt der Popkultur insgesamt zum festen Instrumentarium des Regierens gemacht.

In Obamas Fahrwasser entdecken nun auch andere Politiker die Macht des Entertainment. Hillary Clinton ist während ihres Wahlkampfs ebenso bei „Saturday Night Live“ aufgetreten wie Bernie Sanders. Und Donald Trump stammt ohnehin aus diesem Bereich: Lange bevor er sich entschloss, sich um ein Amt zu bewerben, war er der Moderator und Hauptdarsteller in der Business-Reality Show „The Apprentice“.

Auch in diesem Wahlkampf hat Trump sich als Meister der Medien bewiesen. Wie die Kommentatoren nicht müde werden zu betonen, hat er Millionen an Geldern für TV-Werbung gespart, in dem er durch seine Provokationen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Nun, da Obama sich nach der Entscheidung in der demokratischen Vorwahl ganz offiziell in den Wahlkampf einzumischen gedenkt, darf man gespannt sein, wie er sein Medientalent dem von Trump entgegen setzt. Der Slow Jam war da sicher nur der Anfang. Ein Anfang, der Lust auf mehr macht.