Das Stuttgarter Landgericht ist Schauplatz eines weiteren Osmanen-Prozesses. Foto: dpa

Ein Mitglied der Osmanen Germania BC ist wegen versuchten Totschlags angeklagt, weil der Mann das Mitglied einer anderen Straßenbande gemeinsam mit zwei gesondert verfolgten Männern überfallen haben soll.

Stuttgart - Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das dachte offenbar der Richter der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht Stuttgart, als er gut zwanzig Beamte anforderte, um den Prozessauftakt in einem Strafverfahren gegen ein Mitglied der Osmanen Germania zu sichern. Immerhin handelt es sich bei den Osmanen um die am schnellsten wachsende Streetgang in Deutschland, die sich selbst als Boxclub (BC) versteht. Doch es blieb ruhig, am ersten Tag waren keine Kuttenträger gekommen, das Interesse hielt sich in Grenzen.

Dabei hat es der Konflikt durchaus in sich. Der Angriff des 25 Jahre alten Angeklagten und zwei gesondert verfolgter Osmanen-Mitglieder im April 2016 auf einen Mann, der aus dem Spektrum einer kurdisch geprägten Gruppe kommen soll, ist nur ein Auswuchs jener Fehde, die sich die beteiligten Straßenbanden seit gut einem Jahr in Stuttgart liefern.

Baseballschläger zerbrochen

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dem Opfer zusammen mit seinen Mittätern in Stammheim aufgelauert zu haben. Dort sollen sie ihn mit einem Schlagstock, einem Messer und einem Baseballschläger so heftig traktiert haben, dass der Baseballschläger zerbrach. Wer den Baseballschläger führte, ist unklar – der 25-jährige Angeklagte soll es nicht gewesen sein. Doch unabhängig davon sollen alle drei mutmaßlichen Täter auf den Kopf des Opfers eingetreten haben, nachdem der Angegriffene wegen der Schläge zu Boden gegangen war. Obwohl das Opfer gemessen an der Schilderung der Staatsanwaltschaft mit multiplen Quetschungen, einem verletzten Jochbein, Hämatomen und zwei Stichverletzungen noch recht glimpflich davonkam und auch nicht stationär behandelt werden musste, habe der Angeklagte den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen. „Es ist nicht abzuschätzen, ob bei Tritten gegen den Kopf lebensgefährliche innere Blutungen auftreten, genauso wenig, was ein Stich gegen den Körper anrichten kann“, so der Staatsanwalt.

Mordanschlag auf Zeugen

Der Angeklagte machte keine Angaben zu den Vorwürfen. Auch zu seiner Person will sich der Mann mit serbischer Staatsbürgerschaft vorerst nicht äußern. Am Ende der Verhandlung hat der Richter noch den Antrag eines Zeugen verlesen, der von seiner Aussagepflicht entbunden werden will. Entschieden wurde darüber noch nicht.

Allerdings scheint es nicht ganz ungefährlich zu sein, in dem Konflikt zwischen den Osmanen und der kurdischstämmigen Gruppe, die im Internet zuletzt unter dem Namen Bahoz firmierte und laut Polizeibehörden aus Überbleibseln der heute verbotenen Red Legion hervorging, in den Zeugenstand gerufen zu werden. Erst in der vergangenen Woche wurde ein Mann, der wegen einer Aussage zu einem Prozess gegen die Gegenseite geladen war, gegen 10 Uhr Ziel eines Mordanschlags an der Schwieberdinger Straße in Ludwigsburg.

Attentäter auf der Flucht

Laut Polizei soll ein maskierter Unbekannter den Zeugen, der keiner der verfeindeten Gruppierungen angehöre, durch das geöffnete Autofenster mit einem Messer attackiert und versucht haben, ihm in den Hals zu stechen. Der Fahrer konnte den Angriff zwar abwehren, wurde dabei aber an der Hand verletzt. Der Attentäter flüchtete offenbar nach der Tat.

Das Landeskriminalamt (LKA) hält sich mit weiteren Aussagen über den anderen Prozess im Bandenkrieg, der aktuell läuft, zurück. „Wir wollen das Opfer schützen“, sagte Jan Holzner, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, „und den Mann nicht identifizierbar machen.“

Behörden arbeiten zusammen

Seit Anfang Februar läuft am Stuttgarter Landgericht der Prozess, der sich offenbar mit dem Vergeltungsschlag der kurdisch geprägten Gruppierung befasst: Nur einen Tag nach der jetzt verhandelten Tatnacht sollen fünf ebenfalls wegen versuchten Totschlags angeklagte Personen zwei Mitglieder der Osmanen in Ludwigsburg ausfindig gemacht und ebenfalls mit Messern und Schlagwerkzeug übel zugerichtet haben.

Etwas Licht ins Dunkel könnte der 17. März bringen. Dann wird der Prozess fortgesetzt. Geladen sind Kriminalbeamte der Stuttgarter Polizei und des LKA, die bei ihren Ermittlungen im Milieu eng zusammenarbeiten. Vielleicht sollte das Polizeiaufgebot im Gerichtssaal auch einfach nur zeigen: Einschüchtern lässt sich die Staatsgewalt von Straßenbanden nicht.