Zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen geht auf der Schiene nichts mehr. Foto: dpa/Schmidt

Die von der Deutschen Bahn kurzfristig angekündigte Vollsperrung der Strecke zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen gilt von Freitagabend an. Nun hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) überdies zum Streik aufgerufen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Jetzt wird es ernst für alle, die in der Stadt und der Region regelmäßig mit der Bahn unterwegs sind. In der Nacht auf Samstag wird die von der Deutschen Bahn (DB) kurzfristig angekündigte Vollsperrung der Bahnstrecke zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen eingerichtet. Bis 9. Juni geht in diesem Abschnitt nichts mehr. Parallel dazu hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am Donnerstag angekündigt, Bahnmitarbeiter von Sonntagabend, 22 Uhr, bis einschließlich Dienstag, 24 Uhr, zu einem bundesweiten Warnstreik aufzurufen, was die Situation zusätzlich verschärfen dürfte.

Warum wird die Strecke gesperrt?

Die Deutsche Bahn stattet das Schienennetz in Stuttgart und in der Region mit der europäischen Zugsicherungstechnik ETCS (European Train Control System) aus. Erstmals setzt die DB das in einem großen Bahnknoten im Netz ein. Unter Hinweis auf diesen Pilotcharakter erklärt die DB auch, warum der Aufwand unabsehbar groß ist und daher die Sperrungen nötig seien. Kritiker wie etwa der Verkehrsclub Deutschland (VCD) widersprechen dieser Sichtweise und fordern einen geänderten Bauablauf. Während der nun anstehenden Sperrung will die Bahn im Abschnitt zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen 1200 Kilometer Kabel verlegen.

Was ist zuletzt gemacht worden?

Die Streckensperrung ist eine weitere Phase in den umfangreichen Arbeiten der Bahn. Die haben bereits am 21. April in Bad Cannstatt begonnen, wo seitdem die S-Bahnen nur noch im Halbstundentakt statt alle 15 Minuten fahren. Alle in diesem Zeitraum vorgesehenen Arbeiten seien erledigt worden, sagte ein Bahn-Sprecher in Stuttgart. Unter anderem habe man „eine Weiche eingebaut, den Bahnsteig 6 an den Bedarf angepasst und einige Kabelquerungen im Gleisfeld vorgenommen“. Eine erste Bewährungsprobe, den Fahrgastansturm trotz ausgedünnten S-Bahn-Taktes zu bewältigen, hat es am 3. Mai gegeben, als der VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt spielte, Helene Fischer die Massen zum Konzert in die Hanns-Martin-Schleyer-Halle lockte, nebenan in der Porsche-Arena die Handballer des TVB Stuttgart spielten und auf dem Wasen das Frühlingsfest lief.

Was bedeutet das für den Bahnverkehr?

Von 12. Mai, 21 Uhr, bis 9. Juni, 5 Uhr, ist der Streckenabschnitt zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen voll gesperrt. Die S-Bahnen der Linien 2 und 3 fahren von ihren jeweiligen Endpunkten in Backnang und Schorndorf im Halbstundentakt bis Waiblingen. Der 30-Minuten-Rhythmus gilt auch für die S 2 und S 3 ab Bad Cannstatt zu den Endpunkten in Filderstadt und am Flughafen. Züge des Regionalverkehrs aus Aalen enden in Waiblingen. Züge aus Richtung Schwäbisch Hall werden entweder ab Backnang via Marbach und Ludwigsburg umgeleitet oder enden in Waiblingen. Wegen des Umleitungsverkehrs entfällt die S 4 im Abschnitt zwischen Backnang und Marbach. Die Intercity-Züge Karlsruhe–Stuttgart–Nürnberg entfallen.

Wie sieht das Alternativkonzept aus?

Die DB setzt auf eine Flotte von 80 Bussen, die auf verschiedenen Routen den gesperrten Streckenabschnitt umfahren. Diese sollen im Fünf-Minuten-Rhythmus pendeln. Eine Buslinie verbindet Bad Cannstatt mit Waiblingen und hält auch an den S-Bahnhöfen Nürnberger Straße und Fellbach. Eine zweite Linie fährt ohne Zwischenhalt von Bad Cannstatt an den Bahnhof in Waiblingen. Auch zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Bahnhof in Waiblingen wird eine Expressbuslinie eingerichtet, die unterwegs keinen Zwischenhalt macht. Busse pendeln überdies zwischen den S-Bahn-Stationen Sommerrain und Nürnberger Straße. Die bestehende Expressbuslinie X 20 von Waiblingen nach Esslingen wird mit zusätzlichen Fahrzeugen verstärkt. Zum Heimspiel des VfB Stuttgart an diesem Sonntag (15.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen hat die DB zusätzliche separate Pendelbusse für Fußballfans angekündigt. Von Montag, 15. Mai, an setzen die Stuttgarter Straßenbahnen zudem eine neue Sonderlinie U 21 ein, die wochentags von Fellbach zum Vogelsang fährt.

Geführte Touren für Radfahrer

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) will Pendlern, die aufs Rad umsteigen, den Weg weisen. Dafür bietet der Verein vom 15. bis 26. Mai montags bis freitags in der Hauptverkehrszeit halbstündlich geführte Touren an. In Waiblingen startet der Tross jeweils um 6.30, 7, 7.30 und 8 Uhr am Parkhaus Innerer Weidach. In Fellbach geht’s um 6.40, 7.10, 7.40 und 8.10 Uhr an der ADFC-Reparatursäule an der der Kreuzung Theo-Heuss-Straße/Stuttgarter Straße los. Aus Stuttgart zurück in Richtung Waiblingen starten die Touren um 17 und 18 Uhr am Mineralbad Berg. Zwischenstopps gibt es jeweils zehn Minuten später am Bahnhof Bad Cannstatt auf der Wasenseite.

Welche Entschädigungen gibt es?

Die DB weist darauf hin, dass Entschädigungen bei baustellenbedingten Streckensperrungen nicht vorgesehen sind. Im aktuellen Fall macht sie aber eine Ausnahme, weil die Bauarbeiten ausgesprochen kurzfristig angekündigt worden sind. „Abonnenten und Inhaber von Jahrestickets des S-Bahn-, Regionalverkehrs und des VVS erhalten eine einmalige Entschädigung in Höhe von 49 Euro“, heißt es in einer Mitteilung der DB. Das entspricht dem Gegenwert des neuen Deutschlandtickets für einen Monat. Für Bahnnutzer mit einem Abo fürs Jugendticket BW und Studiticket-Inhaber gibt es einmalig 31 Euro. In Schreiben an die Betroffenen kündigt die Bahn die Auszahlung der Entschädigung für Juni an.

Gibt es weitere Beeinträchtigungen?

Ja. Die nun beginnende Sperrung dauert bis 9. Juni. Daran schließt sich eine Bauphase bis 29. Juli an. An dem Fahrplankonzept dafür arbeitet die DB noch, kündigt aber bereits an, dass es beim Einsatz der Ersatzbusse bleibt. Auswirkungen dürfte es dann auf den Regionalverkehr in Richtung Esslingen, Tübingen, Osterburken und Friedrichshafen geben. Bei dem Ersatzverkehr wird die Schusterbahn zwischen Untertürkheim und Kornwestheim eine größere Rolle spielen. Nach dem 29. Juli folgt die Sperrung des Innenstadttunnels der S-Bahn in den Sommerferien. Im Herbst beginnen Arbeiten an der S-Bahn-Strecke zwischen Rohr und dem Flughafen. Für diese Phase fordert der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne) einen dichteren Takt der Expressbusse nach Degerloch sowie der Buslinien an den Flughafen.