Im Januar haben Frankreichs Präsident Macron und Kanzlerin Merkel den Aachener Vertrag unterzeichnet – nun aber will die Bundesregierung eine der darin aufgeführten Vorhaben nicht finanzieren. Foto: dpa

Landesverkehrsminister Hermann kritisiert, dass sich Berlin bei deutsch-französischen Bahnverbindungen aus der Verantwortung stehlen will.

Berlin - Zwischen der Bundesregierung und dem Land Baden-Württemberg gibt es Streit um die Finanzierung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs etwa zwischen Freiburg und Colmar. Der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Breisach, um die 44 Kilometer lange Strecke wieder durchgängig befahrbar zu machen, ist eines der deutsch-französischen Vorzeigeprojekte für die Zukunft. Das Vorhaben steht sogar auf einer Prioritätenliste, die dem Ende Januar unterschriebenen Vertrag von Aachen beigefügt wurde - nach der jüngst veröffentlichten Machbarkeitsstudie stehen jetzt vertiefende Untersuchungen an. Zum Ärger der baden-württembergischen Landesregierung will die Bundesregierung dafür aber kein Geld in die Hand nehmen will – trotz der ausdrücklichen Erwähnung in ihrem Vertrag mit Frankreich.

Neun Milliarden Euro jährlich für den Schienenpersonennahverkehr

„Der Schienenpersonennahverkehr, dem die von Ihnen genannten Vorhaben maßgeblich dienen“, heißt es in einem Antwortschreiben des Bundesverkehrsministeriums an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner, die auch nach der Verbindung zwischen Rastatt und dem elsässischen Haguenau gefragt hatte, „liegt in der Verantwortung der Länder.“ Der Bund unterstütze auf Grundlage verschiedener gesetzlicher Regelungen die Länder bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe derzeit mit neun Milliarden Euro jährlich.

Bund darf sich nicht beteiligen

Zudem sei im Koalitionsvertrag vorgesehen, die über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bereitgestellten Mittel von derzeit 333 Millionen Euro jährlich auf eine Milliarde Euro im Jahr 2021 aufzustocken, argumentiert Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt: „Darüber hinaus kann sich der Bund an den oben genannten Projekten nicht beteiligen, da dafür vor dem Hintergrund der beschriebenen Zuständigkeiten keine Mittel im Bundeshaushalt vorgesehen sind.“ Dass sich der Bund an der kürzlich veröffentlichten Machbarkeitsstudie für die Strecke Freiburg-Colmar beteiligt hat, stellt Ferlemann als Ausnahme dar – gerade weil die Studie herausgefunden habe, dass die Verbindung „primär dem Nahverkehr dient“.

Kritik aus Stuttgart an dem Vorhaben

Das Landesverkehrsministerium in Stuttgart sieht das völlig anders und meldet ganz grundsätzlichen Protest an. „Das Bundesverkehrsministerium darf sich bei diesem bedeutsamen grenzüberschreitenden Schienenprojekt nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagte Minister Winfried Hermann (Grüne) unserer Zeitung: „Schließlich ist die Reaktivierung der Strecke zwischen Breisach und Colmar explizit im ,Aachener Vertrag‘ enthalten, den Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron unterzeichnet haben.“ Die Umsetzung dieses Staatsvertrages, der ausdrückliche einen Ausbau der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen fordert, ist nach Angaben des Ministeriums „definitiv keine Zuständigkeit der Bundesländer, sondern des Bundes“.

Winfried Hermann (Grüne) sucht Gespräch mit Andreas Scheuer

Die Landesregierung vertritt nicht nur in Bezug auf die Strecke von Freiburg nach Colmar eine völlig entgegengesetzte Rechtsauffassung. „Der Bund ist nach Grundgesetz für Schieneninfrastruktur zuständig und muss deshalb auch diese Bahnstrecke finanzieren“, erklärte Hermann mit Hinweis auf Artikel 88e der Verfassung: „Das Land würde dann auch den regionalen Schienenverkehr auf dieser Strecke bestellen.“ Der Stuttgarter Minister plant nun, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in der Sache einen Brief zu schreiben und Gespräche mit Bundestagsabgeordneten aufzunehmen. „Dass sich die Bundesregierung bei der Finanzierung der grenzüberschreitenden Zugverbindung so wegduckt, ist ein Armutszeugnis“, kritisiert die Abgeordnete Brantner: „Das ist ein weiteres abweisendes Signal an Frankreich und zeugt von fehlender europa- und klimapolitischer Weitsicht.“