Höchste Sorgfalt ist geboten, wenn man nach der Doktorwürde strebt. Foto: dpa

Baden-Württemberg prescht bei der Qualitätssicherung der Promotionen vor und will damit ein bundesweites Vorbild werden. Die neun Landesuniversitäten sind die ersten, die gezielt Datensammlungen anlegen, wie viele Nachwuchswissenschaftler überhaupt eine Doktorarbeit schreiben und worüber.

Stuttgart - Annette Schavan musste ihren Doktortitel abgeben, Ursula von der Leyen darf ihren behalten. Wird die Doktorarbeit eines Politikers als Plagiat entlarvt, ist die öffentliche Empörung groß. Doch die Betreuung der Doktoranden lässt häufig zu wünschen übrig. Die Hochschulen wissen bisher nicht einmal genau, an wie vielen Promotionen in ihren Fakultäten gearbeitet wird. Das will Baden-Württemberg nun ändern und damit bundesweit zum Vorreiter in der Qualitätssteigerung werden.

Die neun Landesuniversitäten in Baden-Württemberg wollen in Zukunft umfassende Daten über Promotionsverfahren erheben. Die Rektoren haben beschlossen, die Daten so zu erfassen, dass bundesweite Vergleiche möglich werden. Bisher wird weder an den Hochschulen in Baden-Württemberg noch in anderen Bundesländern dokumentiert, wie viele Doktoranden eine Promotion beginnen, welche Projekte sie bearbeiten, wie lange sie dafür brauchen und ob sie die Promotion überhaupt abschließen. Auch über die Begutachtungszeiten und die Prüfungsergebnisse kann nach Darstellung des Wissenschaftsministeriums zurzeit niemand verlässlich Auskunft geben.

Nachholbedarf

Das soll nach dem Willen der Rektoren nun an allen Universitäten im Land grundlegend anders werden. Die Daten sollen vollständig erfassen werden. Besonders bei Einzelpromotionen sieht Wolfram Ressel, der Rektor der Universität Stuttgart und Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Nachholbedarf. In den Mintfächern, also im Bereich Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Informationstechnologien würden die Daten dagegen schon länger erhoben, weil in diesem Sektor die Doktorarbeiten meist Teil größerer Forschungsprojekte seien.

Die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) lobt die Universitäten ausdrücklich für ihre Bereitschaft, die umfangreichen Daten zu erheben. „Erstklassige Wissenschaft braucht qualitativ hochwertige Promotionen“, sagt Bauer. „Um Fehlentwicklungen entgegenzusteuern und Rückschlüsse für die Zukunft ziehen zu können, brauchen wir zwingend verlässliche Daten“. Sie betont weiter: „Unsere Hochschulen sind auf dem richtigen Weg“.

Mit ihren Promotionsarbeiten würden die Nachwuchswissenschaftler wesentlich zum Fortschritt in der Wissenschaft beitragen. Die wissenschaftliche Qualität der Promotionen müsse auf höchstem Niveau vorangetrieben werden. „Erstklassige Promotionen benötigen die richtigen Rahmenbedingungen und gute Betreuung“, sagt Bauer. Dafür seien valide Daten „von enormer Bedeutung.

Kraftakt für die Universitäten

Die Erhebungen schätzt das Ministerium als einen ordentlichen Kraftakt für die Universitätsverwaltungen ein. Der Umfang ist erheblich. Der Freiburger Rektor Hans-Jochen Schiewer sprach im vergangenen Jahr, als er der Rektorenkonferenz vorstand, von geschätzten 4500 Verfahren an den neun Landesuniversitäten. Diese Datenfülle will erst einmal eingepflegt werden. Theresia Bauer sieht auch den Bund in der Verantwortung: bundesweit vergleichbare Daten erforderten ein Engagement des Bundes, erklärt sie und meint damit finanzielle Unterstützung. Darauf seien die Universitäten angewiesen.

Baden-Württemberg hat bereits vor zwei Jahren im neuen Landeshochschulgesetz die bessere Betreuung der Promovierenden verankert. Es müssen verbindliche Betreuungsvereinbarungen zwischen Hochschule und Doktoranden abgeschlossen werden. Darin werden die Mindeststandards und der zeitliche Ablauf der Beratungsgespräche festgelegt. Es entscheiden auch nicht mehr einzelne Professoren sondern die Fakultät darüber, ob Promotionen angenommen werden. So soll verhindert werden, dass einzelne Professoren zu viele Doktoranden annehmen und sich die Betreuung verschlechtert. Im Hochschulgesetz ist auch die Datenerhebung angelegt, die jetzt umgesetzt werden soll.

Wettbewerb zur Qualitätssicherung

Im Wettbewerb „Qualitätssicherung in der Promotion“ wurden im vergangenen Jahr Universitäten ausgezeichnet, die die neuen Standards besonders gut umsetzten. Alle neun Universitäten beteiligten sich, die ersten (mit 100 000 Euro dotierten) Plätze gingen an Freiburg, Hohenheim und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Auch Pädagogische Hochschulen nahmen am Wettbewerb teil. Die PH Schwäbisch Gmünd kam wie die Universitäten Heidelberg und Konstanz auf Platz zwei.