„Die Gefahr, künftig nicht adäquat betreut zu werden, kann die Frauen destabilisieren“, sagt Jan Ilhan Kizilhan. Foto: dpa

Im September entscheidet das Land, wie es mit den 1000 Frauen und Kindern weitergehen soll, die viel Gewalt erleben mussten.

Stuttgart - Das „Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak“ der Landesregierung läuft im September aus. Das Land hatte das Projekt, bei dem mehr als 1000 jesidische Frauen und Kinder in Baden-Württemberg eine neue Heimat gefunden haben, Ende 2014 aufgelegt. Dem Traumatologen Jan Ilhan Kizilhanvon der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen zufolge müssen die jesidischen Frauen und Kinder jedoch weiter in besonderem Umfang betreut werden. „Die Gefahr, künftig nicht adäquat betreut zu werden, kann die Frauen destabilisieren“, sagte Kizilhan, der die Aufnahme der traumatisierten Menschen aus dem Nordirak im Auftrag der Landesregierung geleitet hat. Es habe im Irak einen regelrechten Sklavinnenmarkt gegeben. Einige der von ihm untersuchten Frauen seien zwölfmal verkauft worden, so der Psychologe.

Die in Baden-Württemberg auf 21 Landkreise verteilten Frauen und Kinder jesidischer Glaubensrichtung waren von der Terrorgruppe Islamischer Staat verschleppt worden und mussten während ihrer Gefangenschaft unmenschliche Grausamkeiten erdulden.

Von den Jesidinnen sind bisher 15 in den Irak zurückgekehrt

„Das Land ist sich seiner Verantwortung für die aufgenommenen Frauen und Kinder sehr bewusst“, sagte ein Sprecher des Staatsministeriums auf Anfrage dieser Zeitung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann freue sich sehr über den Erfolg des Programms und darüber, dass viele Menschenleben gerettet werden konnten. Derzeit laufe am Universitätsklinikum Tübingen eine Evaluation zur Wirksamkeit verschiedener Behandlungswege. „Im September stehen die Entscheidungen an, wie wir den Weg der traumatisierten Frauen und Kinder in Therapien und bei der Integration in die Gesellschaft weiter begleiten werden.“ Laut Staatsministerium sind die Teilnehmer des Projekts keine Asylbewerber und müssen daher auch kein Anerkennungsverfahren durchlaufen. „Sie können eine Ausbildung und eine Arbeit wie EU-Bürger aufnehmen und dauerhaft in Deutschland bleiben“, so der Ministeriumssprecher. Von den Jesidinnen seien bisher 15 in den Irak zurückgekehrt.

Finanziert wurde das Sonderkontingent mit Landesmitteln. Als Kosten prognostiziert waren bis zu 95 Millionen Euro. Eine Abschlussrechnung liegt laut Staatsministerium noch nicht vor. Neben der Betreuung der jesidischen Geflüchteten fördert die Landesregierung humanitäre Projekte und psychologische Ausbildungen in der Region Dohuk im Nordirak, um Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen. Außerdem wurde mithilfe des Landes ein Institut für Psychotherapie und Traumatabehandlung im Irak aufgebaut.

Baden-Württembergs Schutzprogramm für jesidische Geflüchtete macht Schule: Nach Brandenburg hat mit Schleswig-Holstein nun ein weiteres Bundesland die Aufnahme Schutzbedürftiger beschlossen.