Zur Ganztagsschule gehört auch das gemeinsame Mittagessen Foto: dpa

Bei den Ganztagsschulen zählt Baden-Württemberg zu den Schlusslichtern. Im vergangenen Schuljahr besuchte nur jeder fünfte Schüler eine Ganztagsschule.

Stuttgart - Bei den Ganztagsschulen hat Baden-Württemberg großen Nachholbedarf. Nach einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung besuchten im Südwesten im vergangenen Schuljahr 18,9 Prozent der Schüler eine Ganztagsschule. Weniger waren es nur in Bayern mit 12,4 Prozent. Spitzenreiter sind Sachsen mit fast 80 Prozent und Hamburg mit fast 62 Prozent Ganztagsschülern. Im Bundesdurchschnitt gehen 32,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen in eine Ganztagsschule. Die Stiftung plädiert dafür, Schülern einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschule einzuräumen. „Der Ausbau der Ganztagsschulen muss beschleunigt werden“, forderte Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung. Sie ermöglichten „eine bessere individuelle Förderung aller Kinder und damit mehr Chancengerechtigkeit“.

Neu ist die Erkenntnis, dass Baden-Württemberg zu den Schlusslichtern gehört, nicht. Bis vor einigen Jahren genehmigte die damals CDU-geführte Landesregierung Ganztagsschulen nur in sogenannten sozialen Schwerpunkten. Allerdings braucht auch Grün-Rot für den Ausbau länger als von vielen Eltern erhofft.

2004 gingen im Südwesten gerade einmal 5,8 Prozent der Schüler in eine Ganztagsschule. Durch das Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung kamen bis 2009 jährlich rund 30 000 Ganztagsschüler hinzu, das entspricht einem Zuwachs von etwa 2,5 Prozentpunkten pro Jahr. Inzwischen hat sich die Entwicklung jedoch verlangsamt – der durchschnittliche Anstieg liegt bei 1,4 Prozent jährlich. Würde der baden-württembergische Ganztagsausbau in diesem Tempo fortgesetzt, hätte auch 2020 nur jeder dritte Schüler die Möglichkeit, eine Ganztagsschule zu besuchen, warnt die Stiftung – trotz sinkender Schülerzahlen.

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) sieht den Ausbau auf einem guten Weg. Voraussichtlich am 16. Juli werde im Landtag die Ganztagsschule endlich im Schulgesetz verankert, sagte er am Donnerstag. Damit erhielten Eltern und Schulträger sehr flexible Angebote für ihre Ganztagsgrundschule. Die Landesregierung strebt an, dass sich bis 2023 rund 70 Prozent der Grundschulen und Grundstufen der Förderschulen an dem neuen Ganztagsschulprogramm beteiligen. Dafür investiert das Land im Endausbau rund 158 Millionen Euro. Für die weiterführenden Schulen gibt es noch keinen Fahrplan.

Nach monatelangem Ringen hatten sich Land und Kommunen Anfang des Jahres über den Ausbau geeinigt. Die Kommunen entscheiden, ob die Schule an drei oder vier Nachmittagen, sieben oder acht Stunden geöffnet sind und ob die Ganztagsschule für alle Kinder und Jugendlichen verpflichtend ist oder sie zwischen Halb- oder Ganztagsangebot wählen können. Nur die neuen Gemeinschaftsschulen sind per se Ganztagsschulen mit verpflichtendem Nachmittagsangebot.

Derzeit sind 373 der rund 2500 Grundschulen offene oder verbindliche Ganztagsschule. Nach den Sommerferien wollen weitere 181 Ganztagsschule werden.