In Sommerlaune: Markus Höfliger, Lothar Buchfink, Angelika Schindler-Obenhaus, Frank Nopper (v. l.) Foto:  

Für den stationären Modeeinzelhandel stehe die Uhr auf „fünf vor zwölf“, konstatierte die Referentin der 17. Backnanger Wirtschaftsgespräche – und berichtete, wie Ginverkostungen und Öko-Mode daran etwas ändern können.

Backnang - Günstige Parkplätze und einheitliche Öffnungszeiten: Das fehlt den Backnangern, wenn sie vor der Haustüre einkaufen gehen. Aber auch die Händler haben es nicht leicht: Die Lieferanten lassen keine Einzelbestellungen für Kunden zu, und mancher Ladeninhaber kämpft mit Kritik, weil er teurer ist als die großen Ketten. Um lokale Befindlichkeiten, aber auch um nichts Geringeres als die Zukunft des Einzelhandels ging es bei den 17. Backnanger Wirtschaftsgesprächen am Montagabend vor der historischen Kulisse der Oberen Spinnerei.

Trotz des Termins während der Ferien blieben im großen Zelt nur wenige Plätze frei – ein Zeichen dafür, dass die gemeinsam von der Stadt, dem Industrie- und dem BDS Gewerbeverein organisierte Veranstaltung sich anhaltender Beliebtheit erfreut und die Netzwerke funktionieren. Oberbürgermeister Frank Nopper schwärmte von der „unangefochtenen Lieblings-, Leit- und Kultveranstaltung der regionalen Wirtschaft“. Eingangs würdigte er den im Mai verstorbenen Harro Höfliger, den „Nestor der Unternehmer in unserem Raum“ und einer der Mitinitiatoren und „Hauptmacher“ der Wirtschaftsgespräche.

Erstmals eine Frau

Gastrednerin war erstmals eine Frau, noch dazu ein Nordlicht ohne biografischen Bezug zur Stadt: Angelika Schindler-Obenhaus. Die Einzelhandelsexpertin lernte bei Horten Handelsassistentin, war bei großen Häusern wie Sinn-Leffers in Duisburg, und ist seit 2005 bei der Katag AG in Celle tätig. Bei dem Mode-Dienstleister, der Industrie und Handel verbinden will – Partner im Kreis sind Röther in Backnang und Bantel in Schorndorf – ist sie seit 2010 als Vorstand für die Bereiche Einkauf und Marketing und damit auch Digitalisierung zuständig.

Für den stationären Modeeinzelhandel stehe die Uhr auf „fünf vor zwölf“, betonte Angelika Schindler-Obenhaus: „Wir müssen raus aus der Komfortzone. Wir müssen weitermachen – aber anders als bisher.“ Drei Probleme plagten die Händler in den Städten: der Frequenzverlust, das „Sofashoppen“ und das Konsumverhalten der so genannten Generation Z, skizzierte die Expertin. Ihre Lösungsvorschläge: die Läden zu Erlebnisbereichen machen, in denen sich die Kunden wohlfühlen, als lokaler Händler digitale Schaufenster anbieten und die Teenager mit nachhaltigen Produkten in die Geschäfte locken.

Männershopping in Buxtehude

Die Argumente waren vielen im Publikum nicht neu, aber Angelika Schindler-Obenhaus illustrierte sie mit eindrucksvollen Beispielen aus ihrem Berufsalltag. Etwa zum Teleshopping: Die hauseigene Damen-Marke „Jette“ werde hauptsächlich zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens verkauft. „Meine Herren, was ist bei Ihnen zuhause los?“ Oder zur Kundenbindung: Ein Handelspartner in Buxtehude habe ein Männershopping, mit Ginverkostung, Leberkäsebrötchen und Diskussion zur Situation der Bundesliga organisiert. „Von 250 Kunden haben 210 eingekauft. Ein voller Erfolg.“ Oder zum Thema Nachhaltigkeit: Die eigenen Händler hätten die von der Katag angebotene Öko-Ware bis vor zwei Jahren gar nicht bestellt. „Jetzt, bei der Order vor vier Wochen konnte nicht genug ,organic‘ da sein. Da bin ich Greta unheimlich dankbar.“

Ihr Fazit: Die Einzelhändler müssen „Eventmanager“ werden, sie müssen ihre Kunden „aufs Tablett heben“. Für die Zukunft der Einkaufsstraßen gelte nicht mehr länger das Credo von „Lage, Lage, Lage.“ Es müsse ersetzt werden durch ,,Kunde, Kunde, Kunde“.