Auch wenn viel darüber geredet wird: Elektrofahrzeuge bleiben vorerst in der Nische. Foto: dpa

Rekord: Niemals zuvor wurden in der Europäischen Union so viele neue Pkw verkauft wie im ersten Halbjahr. Vor allem der Absatz neuer Benziner floriert; Diesel-Fahrzeuge dagegen warten häufig vergeblich auf einen Käufer. Aber auch Elektrofahrzeuge sind nach wie vor wenig gefragt.

Stuttgart - Käufer neuer Personenwagen entscheiden sich immer seltener für ein Diesel-Fahrzeug. Zwar hat der Pkw-Absatz in der EU im ersten Halbjahr ein neues Rekordniveau erreicht, der Anteil der Selbstzünder daran ist allerdings deutlich gesunken, schreibt die Unternehmensberatung EY in einer Analyse. Gerade noch 38 Prozent der Käufer – im Vergleich zu 47 Prozent im Jahr zuvor – entschieden sich für einen neuen Diesel. Diese Werte beziehen sich auf die fünf größten Absatzmärkte der Europäischen Union, also auf Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Vor allem in Großbritannien (minus 30 Prozent) und Deutschland (minus 20 Prozent) waren Diesel schwer absetzbar.

„Die Dieselkrise ist längst nicht überwunden, vertrauensbildende Maßnahmen der Industrie und Politik haben zwar begonnen, werden aber erst mit einer gewissen Verzögerung ihre Wirkung entfalten“, urteilt Peter Fuß, Partner der Unternehmensberatung EY. „Zudem führen immer neue Meldungen über vermeintliche und tatsächliche Manipulationen dazu, dass sich die Situation nicht beruhigt“, fügt Fuß hinzu. Zwar seien Dieselmotoren der Euro 6d-Norm sauber, hoch effizient und ein wichtiger Pfeiler einer Strategie zur Senkung der CO2–Emissionen. Dennoch entschieden sich die Käufer – auch angesichts der Unsicherheit wegen drohender Fahrverbote – lieber für Benziner. Der Absatz von Benzin-Pkw in Deutschland etwa stieg im Halbjahr um 16 Prozent. Die Folge: Damit würden, heißt es in der Analyse, hohe Strafzahlungen wegen der Nichteinhaltung von CO2-Grenzwerten immer wahrscheinlicher. Dies auch, weil Elektroautos weiterhin Nischenprodukte seien. Seit Jahresbeginn seien gerade mal 47 000 Elektroautos und gut 260 000 Pkw mit Hybrid-Antrieb in den fünf wichtigsten EU-Märkten zugelassen worden. Dies sei zwar ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Doch die Wachstumsrate habe sich abgeschwächt: Im ersten Halbjahr 2017 hatte der Zuwachs – im Verhältnis zum ersten Halbjahr 2016 – noch 50 Prozent betragen.

Wachstumstreiber ist Schweden

Insgesamt wurden knapp 8,5 Millionen Pkw in den 28 Ländern der Europäischen Union im ersten Halbjahr verkauft, das sind drei Prozent mehr als im Vorjahr, hat der Automobilverband VDA ausgerechnet. Wachstumstreiber waren Schweden, die Niederlande und Polen. Auch die Bilanz auf anderen wichtigen internationalen Märkten fällt positiv aus. Die höchsten Zuwächse seien in Russland (plus 18,2 Prozent auf 850 000 Neufahrzeuge), Brasilien (plus 14,7 Prozent auf 1,1 Millionen Fahrzeuge) und Indien (plus 13,3 Prozent auf 1,7 Millionen Fahrzeuge) erzielt worden. Der chinesische Pkw-Absatz wuchs um 5,5 Prozent auf 11,5 Millionen. Lediglich in Japan ging es abwärts – und zwar um 2,3 Prozent auf 2,3 Millionen verkaufte neue Pkw.

„Der EU-Markt bleibt insgesamt im Wachstumsmodus, allerdings scheint die Autokonjunktur einen Gang zurückzuschalten“, erwartet Autoexperte Fuß. Weil die Dieselprämien ausliefen, die in den vergangenen Monaten die private Nachfrage angekurbelt hatten, dürften nicht zuletzt in Deutschland die Neuzulassungen im zweiten Halbjahr sinken, so Fuß. Hinzu komme die Umstellung auf den neuen Prüfzyklus WLTP; von September an gelten die neuen Regeln, die den Verbrauch auf der Straße und nicht im Prüfmodus wiedergeben. Diese Umstellung scheint einige Hersteller vor besondere Herausforderungen zu stellen. Fuß: „Etliche Modelle sind derzeit bereits nicht oder nur eingeschränkt bestellbar, zudem scheinen sich Markteinführungen neuer Modelle zu verzögern. Dieses eingeschränkte Neuwagenangebot droht den Neuwagenabsatz im zweiten Halbjahr deutlich zu bremsen.“