Ein Mitarbeiter im Werk in Sindelfingen. Foto: dapd

Nach einer Vereinbarung im Sindelfinger Mercedes-Werk arbeiten bald zahlreiche Beschäftigte weniger, manche gar nicht mehr.

Sindelfingen - Daimler hat sich mit dem Betriebsrat auf neue Schichten in der S-Klasse-Fertigung geeinigt. Vom 12. November an rollen in Sindelfingen täglich rund 360 Fahrzeuge weniger vom Band – halb so viele wie heute. Entsprechend wird die Arbeit von Zwei- auf Ein-Schicht-Betrieb umgestellt. Leidtragende sind rund 300 Leiharbeiter in der C-Klasse-Montage. Ihre Verträge werden laut Betriebsrat nicht verlängert, weil ein Teil der 2500 S-Klasse-Werker vorübergehend C-Klassen montiert. An diesen Bändern arbeiten verhältnismäßig viele Leiharbeiter, da die C-Klasse ab 2014 gar nicht mehr in Sindelfingen gebaut wird.

Der neue Schichtplan gilt so lange, bis 2013 eine neue S-Klasse auf den Markt kommt. Daimler erwartet deswegen für das aktuelle Modell weniger Bestellungen und dringt seit Wochen auf den nun vereinbarten Ein-Schicht-Betrieb. Damit rutschen zwar die Arbeitszeitkonten der Stammbeschäftigten weiter ins Minus. Weitere Nachteile soll der Schichtwechsel aber nicht mit sich bringen: Auch im Ein-Schicht-Betrieb würde zwischen Früh- und Spätschicht abgewechselt, und Zuschläge blieben erhalten, teilten Unternehmen und Betriebsrat mit. Laut Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm wurde mit der Beibehaltung der Wechselschicht das wichtigste Anliegen der S-Klasse-Beschäftigten erreicht: „Ihr Lebensrhythmus und ihre Schichtzulagen bleiben erhalten. Das konnten wir erfolgreich durchsetzen.“

Im gefundenen Kompromiss kommt der Autobauer dem Betriebsrat stark entgegen

Bis vor wenigen Tagen schien eine Einigung in weiter Ferne: Daimler wollte den Streit von einem Schlichter vor dem Arbeitsgericht klären lassen und hat dazu eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit gekündigt. Das hat der Betriebsrat als Provokation aufgefasst. Zudem warf er dem Konzern vor, mit Forderungen nach zusätzlicher Flexibilität Mitbestimmungsrechte auszuhebeln.

Im gefundenen Kompromiss kommt der Autobauer dem Betriebsrat stark entgegen. Die Kündigung der Arbeitszeitvereinbarung wurde zurückgenommen – ein Zugeständnis, das Daimler bis dato ausgeschlossen hatte. Von weiteren Flexibilitätswünschen – etwa nach mehr Sonderschichten an Samstagen – ist ebenfalls keine Rede mehr.

Bei den Arbeitszeitkonten hat sich dagegen der Autobauer durchgesetzt: Künftig wird Mehrarbeit in Sindelfingen erst bezahlt, wenn die Arbeitszeitkonten der Beschäftigten im Plus sind. Zudem sollen Mitarbeiter, deren Konten im Minus sind, nur noch im Ausnahmefall Freischichten nehmen dürfen. In der S-Klasse-Montage beträgt das Minus rund 100 Stunden pro Mitarbeiter, im gesamten Werk im Schnitt 47 Stunden. Bisher können Beschäftigte weitgehend wählen, ob sie ihre Konten ausgleichen oder sich Mehrarbeit bezahlen lassen. Für Werkleiter Willi Reiss ist mit der Vereinbarung „ein weiterer Schritt Richtung mehr Flexibilität gelungen“; der Betriebsrat lobt vor allem den Erhalt der Betriebsvereinbarung. Klemm: „Wir freuen uns, dass wieder Vernunft eingekehrt ist.“