Ali und Meral Nemez: stolze Träger der Ehrenmünze der Landeshauptstadt Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sie sind im Stadtteil Berg die Adresse für alle Sorgen und Nöte: Ali und Meral Nemez. Das türkische Ehepaar wurde jetzt mit Ehrenmünze der Stadt ausgezeichnet.

Stuttgart - Eigentlich wollten alle Berger am Mittwoch Abend ins Rathaus kommen. Beinahe der halbe Stadtteil hat sich dann im vierten Stock eingefunden, um den großen Augenblick für Ali und Meral Nemez mitzuerleben. Und vielleicht auch mit ihrer Anwesenheit und seelischem Beistand ein wenig von dem zurück zu geben, was sie von dem Ehepaar im Übermaß erhalten: Empathie, Zuwendung, Hilfsbereitschaft, Humor und zum Feierabend, wenn Ali und Meral Nemez ihren Laden zusperren, auch mal ein Glas Raki. Dafür zeichnete OB Fritz Kuhn die beiden „in Würdigung ihres besonderen Engagements um das Gemeinwesen Berg“ mit der Ehrenmünze der Landeshauptstadt aus.

Seit 16 Jahren betreibt das Ehepaar, 48 und 43 Jahre alt und von allen nur mit dem Vornamen gerufen, einen kleinen Lebensmittel-, Obst- und Gemüseladen in der Carl-Schurz-Straße im Stadtteil Berg. „Gerade mal 30 Quadratmeter groß, man kann sich kaum umdrehen“, sagt Andrea Lotter, die für den SWR 3 einen Film „Alis Laden“ gedreht hat. Dieser Laden, erzählt das Ehepaar Maggie und Peter Lauer, ist die Seele vom Stadtteil und wichtigste Adresse für alle Sorgen und Nöte. Braucht jemand eine Medizin und kann nicht mehr selbst aus dem Haus: Meral holt und bringt sie. Muss jemand zum Arzt oder ins Krankenhaus: Ali fährt ihn hin. Und liefert, wenn nötig, Einkäufe frei Haus, auch viele Treppen hoch.

„Sie versorgen Menschen nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit Wärme, Zuneigung und Herzlichkeit, und das strahlen Sie auch aus“, rühmte Bürgermeister Werner Wölfle bei der Verleihung der Auszeichnung. Eine solche Wertschätzung und Kommunikation seien die Keimzelle eines funktionierenden Gemeinwesen.

Warum tun die beiden, die schon als Kinder aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind, das alles? „Weil wir so sind“, sagt Meral einfach. Weil er es so von seinem Vater gelernt habe, sagt Ali. Hat es mit dem Gebot guter Werke im Islam zu tun? „Nein“, winkt Ali ab, „das ist einfach im Blut drin.“

Ali Nemez steht jeden Morgen um 3 Uhr auf, um als einer der Ersten am Großmarkt das beste Obst und Gemüse einzukaufen. Trotzdem sind sie nicht auf Rosen gebettet. Früher, als noch die Frauenklinik in direkter Nachbarschaft war, sei der Umsatz besser gewesen. Dann wurde das Krankenhaus abgerissen, Ali und Meral mussten den Laden zusperren. „Berg ohne Ali, das ging gar nicht“, erinnern sich Joachim Sauter und Guido Lorch. „Sie haben uns zurückgeholt“, erinnert sich Ali. Und sie seien zufrieden.

Wer hat sie zur Ehrung vorgeschlagen? Wölfle weiß es selbst nicht und würde es auch nicht verraten. Appelliert aber hiermit öffentlich, öfter bei diesem Inbegriff von Tante Emma statt im Supermarkt einzukaufen. Auch Ali hat eine Bitte an Wölfle: eine Lieferung Raki für den Feierabendschnaps. Wölfle hat es versprochen, ganz privat und unbürokratisch.