Steffen Kohler ist in vier Monaten reifer geworden. Foto: Kathrin Wesely

Der 18-jährige Steffen Kohler hat vier Monate lang in einer südafrikanischen Grundschule Sport unterrichtet – und möchte die Erfahrung nicht missen, auch wenn ein Schock dabei war.

S-West - Im Grunde wusste Steffen Kohler nicht, worauf er sich einlässt. Aber jetzt, da die vier Monate in Kapstadt vorbei sind, will er die Erfahrung nicht missen: „Man sollte vor gar nichts Angst haben, sondern einfach mal machen“, empfiehlt der 18-Jährige. Anfang des Jahres hat er am Dillmann-Gymnasium sein Abitur gemacht, nun wollte er etwas ganz Praktisches und Handfestes tun, irgendwo weit weg – am liebsten in Afrika.

So fand er zu Volunation, einem Projekt in Berlin, das weltweit Freiwilligenarbeit organisiert. Es bietet Projekte in mehreren Staaten Afrikas, Asiens und Südamerikas an, bei denen man mitarbeiten kann. Der sportliche junge Mann aus dem Stuttgarter Westen entschloss sich, einem Sportlehrer an einer afrikanischen Grundschule zu assistieren. Geld verdiente er dabei nicht – im Gegenteil, für sämtliche Kosten kam er selbst auf. Dafür lernte er eine Menge neuer Freunde kennen und den untersten Zipfel eines Kontinents, den er zuvor noch nie betreten hatte.

„Ich habe mich dort bald gefühlt wie ein Einheimischer“, sagt Steffen Kohler. „Ich habe den ganzen Tag nur Sachen gemacht, die ich gerne tue: morgens Sport mit den Kindern, abends mit den Leuten aus dem Hostel feiern oder Kicken gehen.“ Ein Minibus brachte ihn morgens zur Arbeit. Anfangs schaute er Michael, dem Sportlehrer seiner Schule, beim Unterrichten nur zu. Später durfte der Assistent auch selber Stunden geben. „Mit den ganz kleinen Schülern haben wir das Fangen von Bällen geübt, mit den älteren Cricket oder Rugby trainiert.“ Mit Klassen von bis zu 40 Schülern sei das manchmal reichlich chaotisch abgelaufen.

Die Lehrer führen ein strenges Regiment

Auffällig fand Kohler, wie streng die Lehrer mit den Kindern waren. „Manchmal mussten sie zur Strafe 20 Minuten still stehen, mit den Händen überm Kopf. Richtig militärisch fand ich das.“ Einerseits, sagt der 18-Jährige, habe er das nicht gemocht. „Andererseits hätten die Kinder sonst keinen Respekt vor ihren Lehrern gehabt. Es wäre anders gar kein Unterricht mehr möglich gewesen.“ Die Grundschüler in Kapstadt „haben viel mehr Energie, sie sind viel wilder und lebendiger“ als Kinder in Deutschland. „Viele von ihnen stammen aus den Townships und sind extrem arm. Manche mussten schon morgens um fünf Uhr auf den Bus, um pünktlich zur Schule zu kommen. Nicht, weil die Fahrt so lange dauert, sondern weil der Bus überall anhält.“ Zuhause in den Townships, glaubt Kohler, würden die wenigsten so etwas wie eine Erziehung genießen. „Diese Aufgabe muss dann halt die Schule übernehmen.“

Richtig glücklich gemacht habe ihn die Offenheit der Menschen in Kapstadt. „Mich haben einfach Leute auf der Straße auf mein FC-Arsenal-Trikot angesprochen und sofort ein Gespräch angefangen.“ Angst, sagt Steffen Kohler, habe er nie gehabt. Er sei auch nachts alleine Bus gefahren. Das Hostel von Volunation habe sich in einem wohlhabenden Viertel befunden, wo fast nur Weiße lebten. „Je weiter man sich von diesen Gegenden entfernte, desto mehr Schwarze gab es.“ Trotzdem habe er keine rassistischen Spannungen gespürt, was ihn ein bisschen überrascht habe.

Beim Fußballspiel gibt es keine Unterschiede

Wenn er mit seiner Fußballmannschaft aus dem Viertel in einem der Townships spielte, habe ihn die Armut dort schockiert: „Wellblechhütten, arme Leute, Müll, streunende Hunde – wie man es aus Fernsehdokumentationen kennt.“ Aber beim Fußballspiel waren alle Sportler gleich – arm oder reich, schwarz oder weiß, sagt der 18-Jährige. In seinem Verein trainierten vor allem Studenten. „Der Coach und die Spieler haben das Training richtig ernst genommen“, sagt er. Er habe dort Studenten aus anderen afrikanischen Staaten kennen gelernt, die aus Kamerun oder Angola kamen und in Kapstadt die Universität besuchen.

Der Adressspeicher seines Telefons ist außerdem um einige Europäer reicher, die wie er während ihrer Freiwilligenarbeit im Volunation-Hostel wohnten. Es gab kürzlich schon ein Treffen in Hamburg. Vor allem aber sei er selber reicher – reicher um das Vertrauen darauf, dass er fähig ist, sich auf neue Menschen und ungewohnte Situationen einstellen zu können.