Die Gesamtkosten für den Abriss der Atomkraftwerke und die Lagerung der Überreste werden auf 47,5 Milliarden Euro geschätzt. Foto: dpa

Die Trittin-Kommission hat ihren Kompromiss-Vorschlag für die Finanzierung des Atomausstiegs vorgelegt. Die Reaktionen sind gemischt. Und die betroffenen Unternehmen haben noch nicht zugestimmt.

Berlin - Wir haben um 12 Uhr den Sack zugemacht“, sagte Jürgen Trittin am Mittwoch bei der Vorstellung des Kompromisses, um den seine Kommission monatelang und bis zur letzten Minute gerungen hat. Neben Trittin (Grüne) sind zwar auch der ehemalige SPD-Chef Matthias Platzeck und der frühere Hamburger Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an die Spitze dieses Gremiums berufen worden; aber im Berliner Medien-Jargon trug die Runde von Anfang an den Namen Trittin-Kommission.

Er stand bei der Präsentation des Ergebnisses denn auch im Mittelpunkt und erläuterte die komplexen Details. Zwar wollte der Grüne nicht davon sprechen, dass er an diesem Tag sein Lebenswerk vollende. Aber ein Kreis schloss sich sehr wohl für den 61-jährigen Ex-Umweltminister, der für die Grünen mit am Tisch saß, als der erste, später von Schwarz-Gelb wieder ausgehebelte Atomausstieg der rot-grünen Bundesregierung ausgehandelt wurde.

Platzeck lobt Trittin als „Schatz“ für die Kommission

Die Erfolge und Niederlagen beim Ausstieg aus der Kernenergie haben wenige Politiker so hautnah erlebt wie Trittin. Dass ausgerechnet er den endgültigen Kompromiss über die Finanzierung der Ausstiegskosten an vorderster Front mit auszuhandeln hatte, muss ihm eine tiefe Befriedigung verschafft haben. Triumphgefühle lies er sich bei der Pressekonferenz der drei Unterhändler trotzdem nicht anmerken.

Das lag sicher auch daran, dass Trittin aus eigener Erfahrung weiß, dass Kompromisse, so notwendig sie sind, meistens Kritik von allen Seiten auf sich ziehen. Ein Popularitätspreis war nicht zu gewinnen für die Antwort auf die schwierige Frage, wieweit der Staat den Energieversorgern bei der Haftung für die atomaren Sicherheitsrisiken entgegen kommt. Trittin beließ es jedenfalls bei der sachlichen Erläuterung des Vereinbarten, Platzeck und von Beust überließ er die großen Worte. Von Beust nannte es „ein gutes Ergebnis unserer Demokratie“, dass in einer so schwierigen Frage eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde. Es habe sich als „Schatz“ für die Kommission erwiesen, dass mit Trittin ein Unterhändler des ersten Atomausstiegs mit am Tisch gesessen habe, lobte Platzeck. „Mit diesem Ergebnis kann die deutsche Gesellschaft leben.“

Das Ergebnis bedeutet im Kern, dass die Haftung der vier Stromkonzerne für die Zwischen- und Endlagerung auf eine Gesamtsumme von 23,3 Milliarden Euro begrenzt wird. Dieses Summe müssen sie, wie Trittin und Platzeck erläuterten, bis 2022 bar in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen. Sollten sich weitere Risiken und Kosten im Lauf der Zeit ergeben, steht dafür der Staat gerade. Die kurzfristigen – und überschaubareren – Risiken für die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke blieben vollständig bei den Unternehmen, erklärte Platzeck.

Bei Ökoverbänden überwieg die Kritik an dem Vorschlag

In den ersten Reaktionen auf den Kommissionsbericht halten Kritik und Anerkennung sich ungefähr die Waage. „Es entspricht meiner früh geäußerten Erwartung, dass das Verursacherprinzip auch für die Atombetreiber zu gelten hat und dass sie demzufolge nicht aus ihrer Verantwortung für die Hinterlassenschaften der Atomenergienutzung entlassen werden dürfen“, lobte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). „Die Summe liegt deutlich unter dem, was Grüne gefordert hatten und was angemessen wäre“, erklärte die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, die selbst Mitglied des Gremiums ist.

Der Linkspolitiker Hubertus Zdebel erklärte, dass die Atomkonzerne sich hätten freikaufen können, während die Bürger die Zeche zahlten. In seinen Augen ist das Verursacherprinzip bei der Atomkraft mit der Kommissionsempfehlung „abgeschafft“. Der Germanwatch-Vorsitzende Klaus Milke erklärte, dass „sich die Atomkonzerne vergleichsweis günstig aus der Verantwortung ziehen“ können.

Da die Kommission ihre Empfehlung einstimmig getroffen hat, wird erwartet, dass die Bundesregierung ihr folgt, auch wenn das Votum nicht bindend ist. Was auch noch aussteht, ist die Zustimmung der betroffenen Unternehmen. Sylvia Kotting-Uhl forderte die Firmen auf, ihre Klagen gegen den Atomausstieg zurückzuziehen.