Schilf ist ein wichtiger Rohstoff für die Bewohner der südirakischen Sumpflandschaft Al Ahuar. Der Fotograf Ihsan Jezany will sie schützen. Foto: privat

Ihsan Jezany bezeichnet sich selbst als revolutionären Journalist. Seine Mission ist die Rettung der Marschlandschaft im Südirak. Wie es dort aussieht und warum die Sümpfe ein Kleinod sind, erzählt diese Ausstellung in Stuttgart-Birkach.

Birkach - Das saftige Grün des Schilfgrases wirkt, als hätte Vincent van Gogh es auf eine Leinwand gepinselt. Ein Leuchten geht von den Gräsern aus, als wären sie eine Energiequelle. Der irakischstämmige Fotograf Ihsan Jezany sagt, dass er nur den richtigen Moment abwarten musste, auf dem sich die Pracht voll entfaltet. Seine Fotografien wirken bisweilen, als hätte ein Regisseur einen ganzen Drehtag Zeit gehabt, die perfekte Szene aufzunehmen. Da hält er mit seiner Kamera fest, wie ein Kind ein Boot durch den Sumpf steuert. Ein Hund jagt durch das offenbar nicht allzu tiefe Wasser neben dem Boot her. Hinter dem Boot zeichnen sich mehrer Sandbänke ab. Sie bilden scharfe horizontale Linien und einen Kontrast zu der bewegten Szene im Vordergrund wie von einem Dekorateur inszeniert.

Jezany hat dieses und andere Fotos, die er zurzeit im Nikolaus-Cusanus-Haus zeigt, von einem Boot aufgenommen auf einer seiner vielen Touren durch die Sümpfe. Der Fotograf besuchte seine Heimat zum ersten Mal nach Jahren im deutschen Exil im Jahr 2004. Diktator Saddam Hussein war ein Jahr zuvor durch die US-Invasion gestürzt worden. Im Land begann ein Krieg der Volks- und Religionsgruppen, der mit dem Auftauchen der IS-Miliz 2014 erneut eskalierte. Jezany nahm das Risiko von regelmäßigen Reisen in das zerrissene Land dennoch immer wieder auf sich. Es gehe ihm nicht nur darum, die Schönheit seiner alten Heimat zu dokumentieren, sagt er.

Der Fotograf reist in den Irak

Jezany beschreibt sich als „revolutionärer Fotograf“ mit einer Mission: Die Welt soll mobilisiert werden für den Erhalt des 2016 von der Unesco sowohl zum Weltkultur- als auch -naturerbe anerkannten Marschlands „Al Ahuar“ im Süden des Iraks. „Diese Landschaft gehört nicht nur dem Irak. Sie gehört der ganzen Welt“, sagt der 1967 geborene Fotograf. Der Südirak gilt als Wiege der sumerischen Hochkultur. Die fischreiche Marschlandschaft begünstigte die Entwicklung der ersten Zivilisation mit einer komplexen Gesellschaftsstruktur. Die Sumerer entwickelten zum Beispiel die Keilschrift. In ihren Städten gehörten künstliche Bewässerungssysteme zum Alltag, während sie selbst monumentale Bauten aus Lehm errichteten, sogenannte Zikkurate. Jezany ist der Stolz anzuhören, wenn von der Leistungen der alten Kulturen Iraks die Rede ist. Die Sumpflandschaft Al Ahuar sei das Herz des Landes, der wahre Irak, sagt er. „Die Menschen hier sprechen immer noch ein paar Brocken der antiken Sprachen“, sagt er.

Doch die Gegenwart der Region sei nicht ansatzweise so ruhmreich, berichtet er. Saddam Hussein hielt die schiitischen Einwohner der Marschlandschaften von Bildung fern. Nach einem gescheiterten Aufstand 1991 begann er, die Sumpflandschaft aufzuschütten und zu zerstören, um die Bevölkerung aus dem Land zu vertreiben. Heute herrsche immer noch große Armut unter den Menschen, sagt der Fotograf. Die Sümpfe drohten zudem im Müll zu ersticken, während zahlreiche Staudämme schon in der Türkei ihnen gewissermaßen den Wasserhahn zudrehten. „Ich mache diese Bilder, um die Menschen aufzurütteln, bevor es zu spät ist“, sagt Jelzany. Denn das Herz des Irak, das einst die erste Weltkultur gebar, es könnte bald aufhören zu schlagen, fürchtet er.