Bunte Ballons verdecken zwar die Gesichter, doch wer genau hinsieht, erkennt vielleicht doch, wer dahinter steckt. Foto: Horst Rudel

Was sagt Farbe über eine Person oder gar über eine Stadt aus? Kirchheims Städtische Galerie im Kornhaus feiert ihr 40-jähriges Bestehen mit der Ausstellung eines Berliner Künstlers. Anhand eines Foto-Projekts, stellt er die Bürger mit einem farbigen Luftballon in den Vordergrund. Was das über die Stadt aussagt?

Kirchheim - Knallbunt wirkt die derzeitige Ausstellung im Kirchheimer Kornhaus. Dabei begann alles an einem kalten, trüben Novembertag im letzten Jahr. Der Berliner Künstler Rainer Splitt und Mitglieder des hiesigen Kunstbeirats machten sich daran, in der Fußgängerzone Passanten und eingeladene Bürger der Kleinstadt zu porträtieren. Doch auf den Fotos, die dabei entstanden, sind ihre Gesichter nicht zu erkennen. Stattdessen ist vor jedem Gesicht ein farbiger Luftballon platziert. „Welche Farbe die Porträtierten wählten, blieb ihnen selbst überlassen. Wir hatten etwa 30 unterschiedliche Farbnuancen. Die Personen konnten die Farbe nehmen, mit der sich sich am meisten identifizieren“, so Splitt, der für das Projekt nach Kirchheim kam. Seit Kurzem sind alle 104 Fotos, die bei dem Projekt entstanden sind, in der Städtischen Galerie im Kornhaus in Kirchheim zu sehen.

Die Galerie – und mit ihr der zugehörige Kunstbeirat, der das Programm gestaltet – starten mit dem Projekt „Colored Identities“ in das 40. Jubiläumsjahr. Zwei weitere markante Veranstaltungen sollen im Laufe des Jahres noch folgen. Vorgesehen ist im Sommer ein Projekt im öffentlichen Raum von dem international renommierten Berliner Künstlerpaar Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll und im Herbst eine Ausstellung der Stuttgarter Künstlerplattform Linienscharen, die sich mit Zeichnungen und Linien beschäftigen.

„Die Galerie hat von der Stadt den Auftrag, zeitgenössische, überregionale und auch internationale Kunst zu zeigen“, so Steffen Schlichter, der Mitglied des Kunstbeirats ist. Daher sei es wichtig, über den Kirchheimer Tellerrand zu blicken und Künstler mit ihren Ideen von außerhalb in die Galerie zu holen.

Weniger ist manchmal mehr

Splitt und Schlichter kannten sich bereits vor dem Projekt, und ihre Interessen trafen sich in der Idee zu „Colored Identities“: „Wir wollten etwas machen, bei dem sich die Bürger beteiligen können“, so Schlichter. „Ich arbeite schon lange mit Farbe und habe mir oft Gedanken darüber gemacht, wie sehr Farbe Identität wiedergeben oder auslöschen kann,“ sagt der Künstler. Stef Stagler aus dem Kunstbeirat findet, dass auch ohne die Gesichter sehr viel von den Persönlichkeiten zu sehen ist. „Man erkennt trotzdem die Körperhaltung, Details von Haaren und Kleidung. Durch den Ballon achtet man viel mehr auf andere Dinge“, so die 50-Jährige.

Die Intention Splitts, ein Porträt der Stadt anzufertigen, ist jedenfalls gelungen. „So individuell wie ein Mensch kann keine Farbe sein, aber ich denke Unterschiede sind doch erkennbar. Man stelle sich nur mal vor, alle hätten die gleiche Farbe gewählt“, so Splitt. Ob das Ergebnis in Berlin wohl ein anderes als in Kirchheim wäre? „Sicherlich“, meint er. „Die Mischung der Bevölkerung ist anders. In Kirchheim waren die Leute zum Beispiel relativ ängstlich, was ihr eigenes Porträt angeht. Da ist die Haltung in Berlin anders. Aber am Ende denke ich, ist egal, wo man das macht.“ Nur eines sei auffällig gewesen: „Es gab nur eine Person, die einen schwarzen Ballon gewählt hat.“ Dabei spiegelt sich die Kirchheimer Fachwerksilhoutte in dem dunklen Luftballon gerade besonders deutlich.

Termin und Buch

„Colored Identities“
Bis zum 31. März ist die Foto-Ausstellung in der Städtischen Galerie im Kornhaus zu sehen. Max-Eyth-Straße 19, Kirchheim/Teck, Dienstag bis Freitag, 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag, 11 bis 17 Uhr.

Porträts
Die fotografierten Personen können laut Rainer Splitt das von ihnen angefertigte Werk für einen symbolischen Preis erwerben. „Mir geht es auch darum, etwas zurückzugeben“, sagt der Künstler.

Publikation
Die Porträts sind mit dem jeweiligen Namen der Person in einem Buch zur Ausstellung abgedruckt.