Ein Pilz, zwei Erscheinungsformen: Verpackung aus Myzel und Pilzkultur Foto: Mick Orel

Mit Pilzen kann man mehr anfangen, als sie nur zu essen. Die Galerie Kernweine wirft mit der Ausstellung „Mushroom Conversations“ einen Blick in die Zukunft.

Stuttgart - Kluge Köpfe wissen es: Das größte Lebewesen auf dieser Erde ist kein Wal und auch kein Dinosaurier, sondern ein Pilz. 150 000 Quadratmeter war der Hallimasch groß, der 1992 in den USA entdeckt wurde. Pilze wachsen und wachsen. Das machen sich einige kreative Unternehmen inzwischen zunutze und lassen sie wuchern – nicht etwa, um sie zu essen, sondern weil man mit ihnen erstaunliche Dinge produzieren kann. Aus Pilzen lässt sich hervorragend Verpackungsmaterial herstellen. Hierzu werden zum Beispiel Abfälle aus der Landwirtschaft mit Pilz-Mycelium quasi geimpft – und schon wächst der Pilz und passt sich sogar vorgegeben Form an. Das Ergebnis ist ebenso stabil wie Styropor.

Eine geniale Lösung, an die die Stuttgarter Galerie Kernweinein einer Ausstellung nun erinnern will. Zu sehen gibt es in „Mushroom Conversations“ zwar recht wenig, dafür umso mehr Stoff zum Nachdenken. Denn man kann sich schon fragen, warum es nur vereinzelte Pioniere sind, die ihre Produkte in der „ersten CO2-negativen Alternative zu herkömmlichen Verpackungen“ durch die Welt schicken, wie es in der Ausstellung heißt, die mit dem Kerzenhersteller Amon entstanden ist. Das französische Unternehmen stellt die Verpackungen für seine Duftkerzen aus Mycelium her, die nun in der Galerie Kernweine besichtigt und auch berührt werden dürfen. Sie fühlen sich gut an – und werden in der Ausstellung wie Kunstwerke in Szene gesetzt.

Schwindelerregende Wirkungen und neue Verwendungsarten

Künstlerinnen, Wissenschaftler und Nachhaltigkeitsaktivisten haben bei dem Projekt „Mushroom Conversations“ mitgemischt, das junge Galerien-Team hat sogar selbst Pilze gezüchtet. Auf kleinen Ballen aus Hanfspäne sprießen nun Kräuterseitlinge in schönster Weise und könnten eigentlich sofort geerntet und in die Pfanne gehauen werden. Dass in einigen Pilzen aber noch viel mehr steckt, das wissen gerade auch die Anhänger des Drogenrauschs. Wie man sich nach dem Konsum von halluzinogenen Pilzen, wenn man sie denn zu sich nähme, fühlen könnte, das lässt die Videoprojektion des brasilianischen Modedesigners Oskar Metsavaht erahnen. Er zeigt in einer Doppelprojektion eine schwindelerregende Kamerafahrt durch weite Landschaften.

Pilze sind ein spannendes Thema. Allein aus ästhetischer Sicht lässt sich deren Potenzial als Verpackung zwar nicht in Gänze erfassen. Aber man kann sicher sein, dass man in den kommenden Jahren mehr hören wird von ihrem Einsatz in der Industrie. Der Weg hin zu CO2-neutralen Verpackungen ist sicher noch sehr weit. Eines Tages aber, so zumindest die kühne Vision des Ausstellungsteams, könnte es gut sein, dass sich die Menschen nur noch vage an die Plastikflut auf dieser Welt erinnern werden – und man Kunststoffe dann bestenfalls noch im Museum bestaunen kann.

Bis 13. September,
Cottastraße 4 bis 6, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 20 Uhr.