Renate Liebel (v.li.), Marie Lienhard und Anna Gohmert Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die Ausstellung „Mothers, warriors and poets“ thematisiert noch bis Sonntag, 19. September, wie schwer es ist, in unserer Gesellschaft Künstlerin und Mutter zu sein.

Stuttgart - Mutter, der Begriff ist so schlicht und einfach wie mit Bedeutung überfrachtet, mit überaus sanften Emotionen beladen wie auch mit Aggressionen, er ist mit Klischees und Erwartungen belegt. Kalt lässt er indes kaum einen. So ist derTitel der Ausstellung, die noch bis zum 19. September in der Container City an den Wagenhallen (Innerer Nordbahnhof 1) stattfindet, auch aufsehenerregend – zumal er den scheinbar ungleichen Dreiklang „Mothers, warriors and poets“ , also Mütter, Krieger und Dichter, zusammenfügt.

Die Künstlerinnen und Initiatorinnen Anna Gohmert, Renate Liebel und Marie Lienhard sind alle drei auch Mütter. Den Spagat zwischen der Kunst – ihrer Arbeit – und der Familie müssen sie jeden Tag vollbringen. „Wir arbeiten immer, wenn wir nicht gerade schlafen“, sagt Liebel. Erst vorgestern, sagt die dreifache Mutter, die sich in der Ausstellung mit Mutterkraut beschäftigt, habe sie einen 17-Stunden-Tag gehabt.

„Du bist doch ein Lebenskünstler“

Über die Mehrfachbelastung beklagen sich viele Mütter. Doch was ist bei Künstlerinnen anders als etwa bei Ärztinnen oder Kassiererinnen? „Oft wird uns gesagt: ‚Du findest doch eine kreative Lösung‘ oder ‚Du bist doch ein Lebenskünstler‘“, sagt Gohmert. Dabei werde nur zu gerne vergessen, dass auch Künstler – selbst Lebenskünstler – Honorare benötigen, um die Kinder versorgen zu können und eine Rente anzusparen. „Wir sind auch Teil der Gesellschaft, in der gilt, dass Miete mit Euro beglichen wird“, sagt Gohmert. Dennoch glaubten noch viele, Künstlerinnen arbeiteten aus reinem Idealismus. „Wir müssen Strukturen finden, in denen Institutionen von vorne hinein bedenken, dass es unter den Künstlerinnen auch Mütter gibt – und die es den Frauen ermöglichen, Kunst und Kind zu vereinbaren.“

Lienhard ist es aber auch wichtig zu betonen, dass es sehr viele Berührungspunkte mit anderen Berufsgruppen gäbe: „Es haben sich viele unterschiedliche Menschen angesprochen gefühlt. Das Problem betrifft nicht nur den Kultursektor, sondern unsere ganze Gesellschaft.“ Auch die Freiberuflichkeit sei Segen und Fluch zugleich. Das Vorurteil, sich die Zeit nach Belieben einteilen zu können, kollidiere oft mit der Wirklichkeit. „Wir brauchen auch Muse und eine gewisse Struktur, um konzentriert zu arbeiten“, sagt Lienhard.

Laut Abramović brauche das Kunstwerk alle Zeit und Aufmerksamkeit

Für Marina Abramović und Tracey Emin, Ikonen der Performance- und Installationskunst, widerspricht sich Mutterschaft und Künstlerinnenberuf deswegen sogar. Laut Abramović brauche das Kunstwerk alle Zeit und Aufmerksamkeit und dulde kein Kind neben sich. Die Künstlerin Hannah Cooke antwortet in der Ausstellung auf die Ikoninnen: akribisch reproduziert sie zwei Arbeiten von Abramovic und Emin und setzt sich selbst, ihre Tochter Ada stillend, ins Bild.

Cooke ist somit eine von zehn Künstlerinnen und Müttern, die mit einem Werk in der Ausstellung vertreten sind. Zehn unterschiedliche Stimmen. Zehn starke Stimmen.

„Ich will gar nichts anderes, als Künstlerin und Mutter sein“

Doch wo sind die Künstler und Väter? Die Realität sehe leider so aus, dass die meiste Sorgearbeit noch immer an den Frauen hängen bliebe. „Die Fußnote im Titel bezieht alle mit ein, die Elternschaft übernehmen. Das ist unser zukunftsweisendes Ideal“, sagt Gohmert, die in einer filmischen Arbeit den Umgang einer Mutter mit der Menopause zeigt. Genau wie Lienhard war auch Gohmert schon während des Kunststudiums schwanger und kennt das Künstlerdasein ohne Kind gar nicht: „Ich will gar nichts anderes, als Künstlerin und Mutter sein“, sagt Lienhard, die ihr Werk „Shared wings“ ausstellt.