Max Herre (links) und sein Vater Frank Herre im Stadtpalais Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Den Enkel kennen alle, den Großvater nicht mehr viele. Richard Herre war Designer, schuf Möbel, entwarf Textilien und war ein Protagonist der Weißenhofsiedlung. Nun hat der Rapper Max Herre eine Ausstellung im Stadtpalais angestoßen, die die Werke seines Großvaters zeigt.

Stuttgart - Das Schürfen in der Geschichte des Hiphop fördert in Stuttgart Designgeschichte zutage. Der Rapper Max Herre hatte seinen Freundeskreis in Stuttgart - sein Großvater Richard hatte einen anderen. Eine Ausstellung im Stadtpalais möchte nun an die Arbeit Richard Herres erinnern und einen vergessenen Protagonisten der Weißenhofsiedlung ins Gedächtnis rufen.

Drei Stühle stehen in einem Saal des Stadtpalais, sie repräsentieren dort bereits jetzt die Arbeit von Richard Herre. Arno Votteler, selbst angesehener Industriedesigner und Innenarchitekt der Stadt, sieht in diesen Stühlen Arbeiten, die außergewöhnlich sind für die 1920er Jahre: senkrecht stehende Konstruktionen, besonders in Format und Qualität, vor allem: „Aus Holz gebaut.“

Der Krieg zerstörte das Atelier

Richard Herre (1885-1959) schuf zahlreiche Möbel, Entwürfe, Textildesigns, die lange Zeit vergessen waren. Der Grund: Herres Atelier wurde bei Luftangriffen auf Stuttgart 1944 vollständig zerstört, erhalten blieben nur jene Werke, die sich in seiner Privatwohnung befanden. Frank Herre, Sohn Richards und Vater des Hiphop-Musikers Max Herre, erinnert sich an eine Kindheit inmitten dieser Werke. Richard Herre ist selbst Architekt und recherchierte viele Details zur Rolle seines Vaters in der Weissenhofsiedlung. Max Herre indes, populär nicht nur in Stuttgart, brachte die Idee zur Ausstellung ins Stadtpalais. Dort fand im vergangenen Jahr bereits eine Ausstellung zur Kolchose statt, dem Zusammenschluss Stuttgarter Hiphop-Gruppen, zu dem auch Herres Gruppe Freundeskreis gehört.

Ein Freundeskreis von Kreativen

Torben Giese, Direktor des Stadtpalais, fragte zu dieser Zeit bereits Max Herre an um einen Beitrag zur eigenen Person. Der Rapper wies an sich vorbei auf den vergessenen Großvater. Jener Richard Herre nämlich war gut vernetzt und eng befreundet - mit Oskar Schlemmer beispielsweise, mit dem er eine lebhafte Korrespondenz unterhielt, die ebenfalls Teil der Ausstellung sein soll. Richard Herre gehörte zum Kreis um den Maler Adolf Hölzel, ist auf Fotos zu sehen mit Willi Baumeister in dessen Atelier, hängte Bilder von Schlemmer an die Wände seiner Wohnung. Er entwarf Möbel, die keine Rückseite besaßen sondern ein umlaufendes Design und war, der Enkel ist sich sicher, ein Avantgardist und Revolutionär in seiner Zeit.

Fest steht, dass mit Richard Herre eine Figur der Stuttgarter Geschichte wiederentdeckt wird, die bislang vollständig in Vergessenheit geraten war. Herre nahm mehrfach an Ausstellungen des deutschen Werkbundes teil, arbeitete interdisziplinär, schuf Textilentwürfe für das vom Bauhaus beeinflusste Mössinger Unternehmen Pausa. Mehr als 40 Exponate aus seinem Schaffen möchte die Ausstellung zwischen dem 28. November und dem 1. März 2020 auf einer Fläche von rund 135 Quadratmetern im Stadtpalais präsentieren, ergänzt durch Briefe und Entwürfe. Und das Frankfurter Design-Büro E15 plant, erstmals eine Serie mit senkrechten Holzstühlen Richard Herres in Auftrag zu geben - nicht nur für Arno Votteler ist dies ein Beweis für ihre Zeitlosigkeit.