Neben den Porträts ist jeweils auch die Geschichte der jungen Obdachlosen zu lesen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Fotograf Mauricio Bustamante und die Journalistin Annabel Trautwein haben Jugendliche begleitet, die auf der Straße leben. Daraus entstanden ist die Fotoausstellung „Entkoppelt“. Die ist derzeit im Hauptbahnhof Stuttgart zu sehen und bietet ungewöhnliche Einblicke.

Stuttgart - Morgens noch Koch in einem Allgäuer Vier-Sterne-Hotel mit Wohnung in einer Villa, abends mit Iso-Matte und Schlafsack vor einem Hamburger Hauseingang. So erging es einem 24-jährigen Mann, der sich Blondi nennt und dem die Wanderausstellung „Entkoppelt“ eines von 20 Porträts widmet. Die Ausstellung der Deutsche-Bahn-Stiftung ist bis zum 27. Februar auf der Aktionsfläche am Südausgang des Hauptbahnhofs zu sehen und widmet sich den Schicksalen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die obdachlos werden.

Die 20 großformatigen Fotos hat der Fotograf Mauricio Bustamante gemacht. Zusammen mit der Journalistin Annabel Trautwein hat er die Jugendlichen im vergangenen Jahr für einige Zeit begleitet. Trautwein hat ihre Geschichten aufgeschrieben, die nun neben den Porträts stehen. Sie handeln von Jugendlichen, die aus verschiedenen Gründen obdachlos werden: weil sie in die Drogenszene abrutschen, weil sie von zu Hause weglaufen – oder weil ihnen das Schicksal einen bösen Streich spielt, wie im Fall von Blondi.

Wegen eines Missverständnisses gefeuert

In dem Allgäuer Hotel wird der junge Mann wegen eines Missverständnisses gefeuert, abends in Hamburg lässt ihn die eigene Mutter nicht in die Wohnung. Heute verkauft er das Hamburger Straßenmagazin „Hinz und Kunzt“.

37 000 junge Menschen bis 26 Jahre sind in Deutschland laut Deutschem Jugendinstitut (DJI) obdachlos. „Eine erschreckende Zahl“, findet Thorsten Krenz, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg. Nur wenige kennen die persönlichen Schicksale, die hinter dieser Zahl stecken. „Entkoppelt“ soll das ändern. „Das Ziel der Ausstellung ist es, die Kinder und Jugendlichen aus der Anonymität zu holen, Öffentlichkeit zu schaffen und die Lebenswege aufzuzeigen, die dazu führen, dass jemand auf der Straße landet“, so Thorsten Krenz.

Ein Knotenpunkt der Begegnung

Die Deutsche-Bahn-Stiftung setzt sich seit 25 Jahren für Obdachlose ein und arbeitet dabei auch mit der Bahnhofsmission zusammen. Am Dienstag überreichte Krenz im Rahmen der Ausstellung der Leiterin der Stuttgart Bahnhofsmission, Renate Beigert, einen Scheck über 500 Euro.

„Der Bahnhof ist ein Knotenpunkt, wo sich viele verschiedene Menschen begegnen“, sagte Beigert. Gerade Obdachlose seien aber mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Die Ausstellung biete die Möglichkeit, über diese Vorurteile nachzudenken.

Die Bahnhofsmission sei eine Anlaufstelle für alle Bedürftigen, betonte Beigert: für psychisch Kranke, Frauen in Not, Flüchtlinge und obdachlose Jugendliche und junge Erwachsene. Dort bekommen sie eine Tasse Tee, einen Schlafplatz, Gespräche oder ärztliche Hilfe. Für viele sei die christliche Einrichtung oft die erste Kontaktstelle, bevor die Mission bei Bedarf an andere Einrichtungen vermittelt.