Traumhafte Kulisse: Die Straße am Ortsausgang von Zürs in Richtung St. Christoph und des 1773 Meter hohen Flexenpasses ist gesperrt. Foto: Benjamin Skardarasy

Schnee satt – so viel wie seit Jahren nicht mehr. Eigentlich ein Segen für die Alpen, aber durch den vielen Neuschnee ist die Lawinengefahr gewaltig. Zwei Einheimische aus Lech am Arlberg berichten.

Lech/Zürs am Arlberg - Schnee, Wind, Lawinen: Bei drei Lawinenabgängen wurden allein in Oberbayern mehrere Skifahrer verletzt, einer von ihnen starb. Am Montag blieb das Skigebiet an der Zugspitze wegen schlechten Wetters komplett geschlossen. Vielerorts sind Experten seit dem frühen Morgen unterwegs, um Lawinen oberhalb von Bergstraßen und Skigebieten zu sprengen.

In Österreich und in der Schweiz hat das Schneechaos auch Wintersportorte getroffen. Viele Touristen sind eingeschneit – etwa im schweizerischen Zermatt oder in Lech und Zürs am Arlberg im Österreich. In den Tiroler Orten St. Anton und Ischgl sowie im Paznauntal sind ebenfalls Tausende Touristen eingeschneit. Einige Bahnstrecken waren wegen Lawinengefahr gesperrt.

Erinnerung an Katastrophe von Galtür

Angesichts der Schneemassen werden Erinnerungen an den Lawinenwinter 1999 und die Tragödie von Galtür im österreichischen Tirol wach. Der Ort wurde damals nach wochenlangen Schneefällen von einer gewaltigen Lawine erfasst. 31 Menschen kamen uns Leben, Dutzende wurden verletzt, viele Häuser wurden zerstört.

Das Schnee- und Lawinenforschungsinstitut (SLF) in Davos hält auch weiterhin an der höchsten Lawinenwarnstufe fest. Es seien spontane Schneeabgänge zu erwarten. Zahlreiche Lawinen gingen am Montag in Österreich und in der Schweiz ab – ohne, dass Menschen zu Schaden kamen. Eine davon rauschte zwischen Interlaken und Brienz in der Schweiz unter einer hohen Eisenbahnbrücke hindurch bis zum Brienzersee.

Jetstream verantwortlich für Extremwetter

Der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf zufolge ist der Jetstream Schuld an den Extremwetterlagen. Der Jetstream, eine hohe Luftströmung, die das Klima maßgeblich beeinflusst, verlaufe derzeit weiter südlich als üblich, erklärt WMO-Sprecherin Clare Nullis. Folgen seien Orkanwinde wie bei Sturmtief Friederike, heftige Niederschläge, die in den Alpen das Schneechaos mit der Lawinengefahr auslösten, und für Januar ungewöhnlich milde Temperaturen.

In Valencia in Spanien sei am Sonntag und Montag der Wärmerekord für Januar gebrochen worden, mit bis zu 26,6 Grad. Gleichzeitig kamen Skiregionen wie Coucheval in Frankreich mit fünfeinhalb Metern Schnee an seit Jahrzehnten nicht gesehene Schneemengen heran.

Interview mit Einheimischen aus Lech/Zürs

Wir sprachen mit zwei betroffenen Alpenbewohnern aus Lech am Arlberg in Österreich: Benjamin Schofer, Junior-Chef des Fünf-Sterne-Hotels „Arlberg“, und Benjamin Skardarasy, Herausgeber des regionalen Magazins „La Loupe“ und Hotelier des Boutiquehotels „Das Georg“ in Lech am Arlberg.

„Die Bedingungen sind einfach traumhaft“

Herr Skardarasy, auf Facebook haben Sie ein Foto eingestellt, das einen zugeschneiten Mini vor einem Hotel zeigt, dem jemand eine Irokesen-Frisur verpasst hat.
Benjamin Skardarasy: Das Auto gehört nicht mir, doch als wir es gestern Nachmittag neben der Tankstelle in Zürs so zugeschneit sahen, mussten wir sofort ein Foto machen.
Wie ist die Schneesituation? Ertrinken Lech und Zürs im Neuschnee?
Skardarasy: Man sieht, es hat ordentlich durchgeschneit die letzten Tage. Mehr als einen Meter, dazu gab es Sturmböen, und daher sind aktuell noch viele Pisten wegen Lawinengefahr gesperrt.

Benjamin Schofer: Es hat sehr viel Neuschnee gegeben. Unten im Dorf ein guter Meter am Wochenende. Gestern kam durch eine Warmfront einiges an Regen. Das hat die Situation verschärft.

Wie gefährlich ist die Lage?
Schofer: Dadurch, dass die Temperatur steigt, ist die Lawinengefahr sehr groß. Aber die Konditionen verbessern sich stündlich. Die Lawinenkommission ist schon den ganzen Tag fleißig am Sprengen. Wir sind zuversichtlich, dass der Flexenpass in ein bis zwei Stunden wieder offen ist.
In Zermatt sind die Urlauber eingeschlossen? Wie ist es in Lech?
Schofer: Seit Sonntag ist der Flexenpass, der das obere Lechtal zwischen Warth, Lech und Zürs mit dem Klostertal bei Stuben verbindet, dicht. Heute (23. Januar) gegen Mittag soll der Flexenpass wieder geöffnet werden.

Skardarasy: Die Straße zwischen Lech und Zürs, aber auch zur Außenwelt ist gesperrt. Es ist ein richtiges „Winter Wonderland“, wie es schon seit Jahren nicht mehr war. Die Dächer und Häuser sind zugeschneit, überall meterhoher Schnee, wie bereits schon im Dezember, und ab heute strahlt die Sonne wieder. Somit sind Bedingungen einfach traumhaft.

Zwei Tage von der Außenwelt isoliert. Geschieht das öfter?
Schofer: Die letzten Winter waren relativ schneeschwach. Aber in der Regel folgt darauf ein Zyklus mit schneereicheren Wintern. Wir sind insofern ganz entspannt und ruhig, weil wir aus der Vergangenheit ganz anderes gewohnt sind. Früher waren mehrere Tage gang und gäbe. Im Winter von Galtür 1999 war der Pass zehn Tage gesperrt.
Was sagen die Urlauber? Sind sie vom vielen Schnee und der Straßensperrung genervt?
Skardarasy: Nein, die meisten haben eine richtige Freude. Zürs ist aktuell durch die Straßensperren ein verkehrsfreier Ort, man kann auf den Straßen spazieren und im Schnee tollen. Wenn das ein, zwei Tage so ist, sind die Leute beschäftigt und freuen sich.
Schofer: Das stimmt. Die sind entspannt und genießen die schöne Umgebung. auch in Lech sind alle Wege im Dorf zugänglich.
Und wie ist mit dem Skifahren?
Schofer: Es laufen nicht alle Lifte wegen Lawinengefahr. Aber alle Lifte, die laufen, sind sicher. Die Pisten sind gut präpariert.

Skardarasy: Skifahren kann man aktuell nicht in den höheren Lagen, wo es zu windig ist und noch nicht gesprengt werden kann, aber die ersten Pistenfahrzeuge sind schon im Einsatz. Rund 50 bis 60 Prozent der Pisten sind noch gesperrt, aber hier sind alle bemüht, damit die Gäste so bald als möglich wieder in den sicheren Skigenuss kommen.

Infos zur Person

Benjamin Schofer (35) hat seine Ausbildung am École Hôtelière de Lausanne gemacht und mehrere Stationen mit Four Seasons Hotels and Resorts (zum Beispiel Beverly Wilshire Beverly Hills) durchlaufen. Er ist Direktor des elterlichen Hotels „Arlberg“ in Lech am Arlberg.

Benjamin Skardarasy (34) wurde in Feldkirch geboren und ist in Lech und Zürs aufgewachsen. Er machte eine Ausbildung in der Hotelfachschule Villa Blanka Innsbruck und studierte Tourismus und Freizeitwirtschaft am MCI in Innsbruck. Er ist Herausgeber des „La Loupe“ Magazins und Hotelier des Boutiquehotels „Das Georg“ in Lech.