Immer mehr Menschen leben mit einem Kaiman unter einem Dach - und finden das am Ende doch nicht so toll Foto: dpa

In Baden-Württemberg werden immer mehr Reptilien und exotische Tiere ausgesetzt oder beschlagnahmt. Doch wohin dann mit ihnen? Weil es im Land keine zertifizierte Auffangstation gibt und ein Neubau teuer wäre, kooperiert die Landesregierung jetzt mit der Auffangstation in München.

Stuttgart - Wenn es um ausgesetzte Reptilien geht, denken viele Menschen an die Wilhelma. Könnte der Stuttgarter Zoo die Tiere nicht aufnehmen? „In der Vergangenheit haben die Behörden Einzeltiere dort untergebracht“, bestätigt das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Allerdings könnte bei der Aufnahme von kranken oder hygienisch nicht einwandfreien Tieren der Tierbestand der Wilhelma gefährdet werden. In vielen Fällen seien Reptilien auch an private Halter vermittelt worden. Das sei jedoch ebenfalls nur bei medizinisch unauffälligen Tieren möglich. Die Behörden und Tierschutzorganisationen haben deshalb schon vor längerer Zeit Kontakt zur Auffangstation für Reptilien München e.V. aufgenommen.

Das Land will der Einrichtung jetzt einmalig 100 000 Euro für Sanierungs- und Umbaumaßnahmen überweisen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Verein, vorrangig Tiere aus Baden-Württemberg aufzunehmen. Der Landesbeirat für Tierschutz hat diesen Schritt jetzt ausdrücklich begrüßt.

Jährlich kommen 400.000 bis 800.000 Reptilien nach Deutschland

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden jedes Jahr zwischen 400 000 und 800 000 Reptilien legal nach Deutschland eingeführt. Dazu kommen noch rund 25 Prozent illegale Einfuhren. Eine Statistik über ausgesetzte oder von den Behörden beschlagnahmten Tiere gibt es nicht. Tierschutzorganisationen beobachten aber, dass seit Jahren immer mehr exotische Tiere untergebracht werden müssen und es auch mehr „Vorkommnisse“ mit Exoten gebe. Sobald die Kooperation mit der Auffangstation München anläuft, soll es regelmäßige Berichte geben, wie viele Tiere dort aus Baden-Württemberg aufgenommen wurden, weshalb sie beschlagnahmt wurden und wie viele von privaten Haltern abgegeben wurden.

Eine gesetzliche Regelung zum Erwerb exotischer Tiere gibt es nicht. Offenbar überlegen sich viele Käufer aber nicht, wie sich Reptilien entwickeln können. Zu groß und zu alt – das sind die Hauptgründe, warum die Halter ihrer schuppigen Mitbewohner überdrüssig werden. Tierschutzorganisationen kritisieren, dass vielfach die Verkäufer mitverantwortlich sind für die Fehlkäufe. So würden Reptilien angepriesen, weil sie keinen Auslauf bräuchten und geeignet auch für Allergiker seien. Dabei seien Wildtiere alles andere als anspruchslos, mahnt die Organisation Pro Wildlife.

Überforderte Halter setzen auch kranke Tiere aus

Unerfahrene Halter seien schnell überfordert, vor allem wenn die Tiere nach den Tortouren des Transports plötzlich krank würden. Pro Wildlife verweist auf eine Studie, derzufolge bei 51 Prozent der untersuchten toten Reptilien Haltungsfehler nachgewiesen wurden. Einige Halter setzten die kranken Tiere dann einfach aus, ohne Rücksicht auf das Tier – und auf die Menschen, auf die es trifft. Denn manche dieser Tiere sind gefährlich. Das trifft nicht nur auf Gift- oder Würgeschlangen zu, sondern auch auf Warane und sogar Schildkröten. Bekannt wurde der Fall der Geierschildkröte „Lotti“, die im Ostallgäu einem Kind die Achillessehne durchgebissen haben soll.

Um mehr Transparenz in diesen Dschungel zu bringen, plant Nordrhein-Westfalen ein Gefahrtier-Gesetz. Wer gefährliche Tiere hält, unterliegt dann einer Anzeigepflicht. „Wir wissen zwar durch die Hundesteuer, in welcher Wohnung welcher Hund vorhanden ist. Aber über die Verbreitung der hochgiftigen Puffotter können wir nur rätseln“, begründet der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) den Gesetzentwurf. Die Haltung besonders gefährlicher Arten soll generell verboten werden.

Ein solches Gesetz existiert in etwa der Hälfte aller Bundesländer. Baden-Württemberg will keine Regelung treffen. Die Reptilienauffangstation München hält das Gesetz ebenfalls für kontraproduktiv: „Ein Verbot drängt die Halter in den Untergrund“, meint Markus Baur, Leiter der Auffangstation. In Bayern, wo es seit Jahren strenge Regelungen gebe, blühe der Handel mit Exoten weiterhin. Die Tiere seien in den Nachbarländern und im Internet jederzeit verfügbar: „Von Transparenz kann keine Rede sein.“

Mit Blick auf das Tierwohl verweist das baden-württembergische Ministerium für ländlichen Raum auf einen seit August gültigen neuen Paragrafen im Tierschutzgesetz: Wer gewerbsmäßig mit Tieren handelt, muss dem Käufer zusammen mit dem Tier schriftliche Informationen über dessen Bedürfnisse bei der Ernährung, Pflege, Unterbringung und artgerechten Bewegung übergeben.