Technische Berufe wie der Mechatroniker verzeichnen steigende Bewerberzahlen. Foto: dpa

Die Kammern und Berufsverbände im Südwesten erwarten mehr als 70 000 neu abgeschlossene Lehrverträge bis zum Jahresende. Immer mehr Studienabbrecher lernen einen Beruf.

Stuttgart - Mehr junge Männer und Frauen als im Vorjahr starten im Südwesten in die Ausbildung. Die IHK Region Stuttgart vermeldete am Freitag einen leichten Anstieg um 0,3 Prozent im Vergleich zum 1. September des vergangenen Jahres. Demnach beginnen 40 760 junge Männer und Frauen im Land eine Lehre in einem von rund 270 IHK-Berufen.

Eine steigende Nachfrage verzeichnen nach den Worten von IHK-Präsidentin Marjoke Breuning technische Berufe wie Mechatroniker, Elektroniker und IT-Fachleute – aber auch der neue Lehrberuf des Online-Kaufmanns, in den landesweit rund 100 Azubis starten. Der Bereich der kaufmännischen Berufe stagniere dagegen. Als „erfreulich“ bezeichnete Breuning die zunehmende Zahl von jungen Geflüchteten in der Ausbildung. Rund 1200 Personen aus den acht Hauptherkunftsländern, darunter Syrien, der Irak und Eritrea, beginnen eine Lehre. Die Kammer setzt sich für mehr Planungssicherheit für die Betriebe ein. Ausbildungen sollten nicht mehr durch Behörden abgebrochen werden können.

Mehrere Tausend Azubis starten später in die Lehre

In den kommenden Wochen und Monaten würden weitere Ausbildungsverträge in vierstelliger Höhe abgeschlossen, da sich vor allem immer mehr Studienabbrecher zu einer Berufsausbildung entschließen, erklärte Breuning. Auch eine Auswertung des Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, die unserer Zeitung vorab vorliegt, bestätigt diesen Trend: Demnach entscheiden sich rund zwei Drittel der Studienabbrecher für eine Berufsausbildung. Der Anteil von Abiturienten in der Ausbildung ist in den vergangenen Jahren sukzessive angestiegen, von 19 Prozent 2009 auf knapp 37 Prozent in diesem Jahr – was aber auch mit generell steigenden Abiturientenzahlen zu begründen ist. Bis zum Ende des Jahres rechnet Breuning mit 45 000 neuen Lehrverträgen – gut 400 mehr als 2017.

Auch das Handwerk verzeichnet steigende Lehrlingszahlen. Der Baden-Württembergische Handwerkstag rechnet für 2018 mit rund 19 000 neuen Lehrlingen. Bis Ende Juli seien etwa 13 900 Lehrverträge im Handwerk abgeschlossen worden, 3,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Wir freuen uns sehr über die tausenden Auszubildenden, die jetzt in unseren Betrieben anfangen“, sagte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Auch diejenigen, die noch auf der Suche nach einer Lehrstelle sind, ermutigte er, sich im Handwerk umzusehen. „Hier gibt es über 130 spannende Ausbildungsberufe; viele davon arbeiten längst mit modernen, digitalen Techniken. Die Zukunftsaussichten könnten nicht besser sein.“ Reichhold geht allerdings auch davon aus, dass erneut rund 10 000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt bleiben.

DGB kritisiert schlechte Ausbildungsbedingungen in Betrieben

Die hohe Zahl offener Ausbildungsstellen hätten sich die Betriebe auch selbst zuzuschreiben, so die Vize-DGB-Landeschefin Gabriele Frenzer-Wolf: „Dort, wo Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, liegt das häufig an schlechten Ausbildungsbedingungen, wie häufigen Überstunden, ausbildungsfremden Tätigkeiten oder einer geringen Vergütungen.“

Der dritte und kleinste Bereich in der betrieblichen Ausbildung sind die freien Berufe. „Wir hoffen, dass sich der positive Trend der letzten zwei Jahre fortsetzt und wir auch dieses Jahr einen Anstieg bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen verzeichnen“, sagte Björn Demuth, Präsident des Landesverbands der Freien Berufe. 2017 wurden knapp 6100 Lehrverträge abgeschlossen, die meisten für medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte.

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