Werden die Augen währen der Schwangerschaft trockener, kann es auch Probleme mit den Kontaktlinsen geben. Foto: Africa Studio-Fotolia

Hormonveränderungen in der Schwangerschaft beeinflussen auch die Sehstärke. Wie werdende Mütter sich richtig verhalten, erklärt der Mediziner Thomas Neß.

Stuttgart/Freiburg - Auf einmal kratzt und brennt es. Es fühlt sich an, als wären Sandkörner im Auge. Doch jucken und reiben hilft nicht. „Viele Schwangere kennen das Problem von trocknen Augen, so dass Kontaktlinsen nicht mehr vertragen werden“, sagt Thomas Neß, Leiter des Schwerpunktes Uveitis an der Universitäts-Augenklinik Freiburg. Durch die Schwangerschaft verändert sich der Hormonhaushalt und damit auch die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit, sagt er. Der Tränenfilm wird dünner, und auch die Tränenmenge nimmt ab. Die Augen werden trocken.

„Es kann auch passieren, dass die Sehstärke der Kontaktlinsen oder der Brille auf einmal nicht mehr passt.“ Denn auch die Dicke der Hornhaut und der Linse verändern sich – vor allem in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft. „Das kann man mit dicken Füßen vergleichen, die durch die Wassereinlagerungen im Körper entstehen“, sagt der Augenarzt. Und genau wie die dicken Füße wieder abschwellen, klingen die Veränderungen am Auge nach der Geburt des Kindes wieder ab. Gegen die trocknen Augen kann man mit ruhigem Gewissen künstliche Tränenflüssigkeit aus der Apotheke verwenden. „Am besten nimmt man künstliche Tränen ohne Konservierungsstoffe. Die sind besser verträglich“, sagt Neß.

Eine Eklampsie kann für Mutter und Kind gefährlich werden

In der Schwangerschaft kann es auch zu weiteren Problemen mit den Augen kommen – oft durch erhöhten Blutdruck. „Jede zehnte Schwangere hat einen erhöhten Blutdruck. Dadurch verändert sich die Netzhaut. Das ist nicht dramatisch und bildet sich zurück.“

Deutlich gefährlicher dagegen ist die Eklampsie. Bei dieser schweren Erkrankung im letzten Drittel der Schwangerschaft treten Krämpfe und Ödeme auf, die Nierenfunktion ist gestört, und der Blutdruck steigt stark an. „Neben Schwellungen im Auge schwillt auch das Hirn an und dadurch auch die Sehrinde“, sagt Neß. Dann müsse gegebenenfalls sehr schnell die Geburt eingeleitet werden. „Für die Frau und ihr Kind besteht akut die Gefahr schwerer Folgeschäden, nicht nur am Auge.“

Eine Bindehautentzündung klingt meist von selbst ab

Ruhe bewahren können Frauen bei Erkrankungen, die auch ohne eine Schwangerschaft auftreten können. „Diese lassen sich auch in der Schwangerschaft gut behandeln – mit den entsprechenden Medikamenten“, sagt Neß.

„Eine Bindehautentzündung wird meistens durch Viren ausgelöst. Antibiotika helfen also nicht. Und nach einer Woche ist die Entzündung meist abgeklungen.“ Generell müssten sich werdende Mütter keine Sorgen machen, wenn sie Salben oder Tropfen mit Antibiotika am Auge anwenden. „Die meisten Wirkstoffe werden, wenn sie auf die Oberfläche aufgetragen werden, nicht ins Blut aufgenommen. Es ist gut untersucht, dass es bei den heute verwendeten Substanzen zu keinen Fehlbildungen beim Kind kommt“, sagt Neß. Betroffene sollten auf die Substanzklassen Fluoroquinolone und Aminoglykoside zurückgreifen. Als Tabletten sind allerdings die Präparate aus der Wirkstoffgruppe der Penicilline und Cephalosporine besser. Gerstenkörner können mit einer desinfizierenden Salbe behandelt werden, Herpes mit einer Aciclovir-Salbe.

Medikamente dürfen nicht ohne Grund gegeben werden

Um eine Diagnose zu stellen, ist es häufig nötig, die Pupille mit Medikamenten zu erweitern. „Das darf nie ohne Grund geschehen“, sagt Neß. Denn die Medikamente verändern theoretisch auch die Durchblutung der Plazenta. „Wenn man aber einen Tropfen ins Auge gibt, ist die Konzentration im Blut so gering, dass es keine Probleme gibt.“ Trotzdem bespricht sich der Augenarzt immer mit seinen Patienten. „Denn sowohl bei den Schwangeren als auch bei den Ärzten gibt es immer die Sorge, dass doch etwas passiert.“ Die Gabe von Medikamenten in der Schwangerschaft sei immer ein Abwägen zwischen Nutzen und Risiko, sagt er. Auch aus diesem Grund kann man den Augendruck mit neuen Geräten so messen, dass das Auge nicht mehr betäubt werden muss.

Einige Beschwerden werden mit Cortison behandelt. „Es stand in der Kritik, dass es zu einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte führen kann. Dieses Risiko scheint sich nach neueren Studien nicht zu bestätigen. Trotzdem sollte man zwischen der 8. und 12. Schwangerschaftwoche nicht mehr als zehn Milligramm am Tag einnehmen und den Wirkstoff Prednisolon bevorzugen, der nur in geringem Maß zum Kind übergeht“, sagt Neß.

Augenerkrankungen sprechen nicht gegen eine natürliche Geburt

Einen besonderen Blick auf die Gesundheit ihrer Augen sollten Frauen mit Diabetes haben. Denn durch die veränderten Blutzuckerwerte kann sich die Sehleistung verschlechtern. „Die Schwangerschaft kann die Veränderungen der Netzhaut noch verstärken“, sagt er. Diabetikerinnen sollten ihre Netzhaut alle drei Monate, im letzten Drittel der Schwangerschaft alle vier Wochen testen lassen.

Augenerkrankungen sind kein Grund, der gegen eine natürliche Geburt spricht, sagt Neß. Er hört immer wieder, dass Frauen, die sehr kurzsichtig sind, grünen Star oder eine Netzhautablösung haben, einen Kaiserschnitt vornehmen lassen. „Es gibt Studien, die belegen, dass der Druck im Auge beim Geburtsvorgang nur gering und kurzfristig ansteigt und es auch nicht zu Rissen in der Netzhaut oder einer Netzhautablösung kommt.“ Vom Auge her spricht also nichts gegen eine natürliche Geburt.

Informationen für Schwangere

Schwangere finden Daten und Fakten zu Arzneimitteln unter www.embryotox.de. Einzelfallberatung erhalten werdende Mütter unter www.reprotox.de. Individuelle Anfragen rund um Medikamente können an Wolfgang Paulus, Leiter des Instituts für Reproduktionstoxikologie, Stiftung St. Elisabeth in Ravensburg gestellt werden, Telefon: 07 51 / 87 27 99 oder per Mail: paulus@reprotox.de.