Aus alt mach neu: Für neun Millionen Euro saniert Vonovia in Untertürkheim fünf Wohnblöcke und stockt sie zudem auf. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

In Stuttgart fehlen Wohnungen. Doch gegen neue Bauflächen auf der grünen Wiese gibt es im Gemeinderat große Vorbehalte. Wo soll also zusätzlicher Wohnraum entstehen? Die Antwort könnte lauten: einfach oben drauf.

Stuttgart - Das Haus ist kaum wiederzuerkennen. Noch vor vier Monaten trug der in die Jahre gekommene Wohnblock an der Augsburger Straße ein Satteldach. Jetzt sitzt ganz oben, wo vorher der Dachstuhl seinen Platz hatte, eine komplette neue Wohnetage mit Flachdach. Gebaut aus verschraubten Holz-Fertigteilen in nur wenigen Wochen.

Der größte deutsche Immobilienkonzern Vonovia saniert in Untertürkheim fünf große Wohnhäuser. Und tut bei dieser Gelegenheit etwas, was er bundesweit schon häufiger umgesetzt hat, in Stuttgart und der Region aber zum ersten Mal erprobt. Alle fünf Gebäude bekommen eine zusätzliche Etage aufs Haupt gesetzt. 20 neue Wohnungen mit Flächen zwischen 60 und 80 Quadratmetern sollen so entstehen. Der erste Block ist jetzt fertig, der zweite im Rohbau, beim dritten fehlt bereits das Dach. Die beiden letzten Häuser folgen danach.

„Ende des Jahres wollen wir mit allen Häusern fertig sein“, sagt Michael Pfefferkorn. Er ist bei Vonovia Regionalbereichsleiter Württemberg und zufrieden mit dem raschen Baufortschritt bei den zusätzlichen Stockwerken. „Für unseren Bereich ist das ein Novum, aber es läuft gut“, sagt er. Deshalb ist bereits ein weiteres ähnliches Projekt geplant. In Kornwestheim will Vonovia durch Aufstockung gut 60 zusätzliche Wohnungen bauen. „Unserer Meinung nach ist das eine ideale Möglichkeit, neuen Wohnraum zu schaffen, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln“, so Pfefferkorn. Darüber habe man auch mit den Grünen im Stuttgarter Gemeinderat ein Gespräch geführt und sei sich dabei einig gewesen. Weitere Projekte sollen nun geprüft werden.

Umfangreiche Sanierung

Die Medaille hat allerdings auch eine Kehrseite. Denn Vonovia stockt die Häuser in bewohntem Zustand auf. Dazu kommt noch eine umfangreiche Sanierung, die letztendlich inklusive aller Arbeiten auch im Außenbereich fast zwei Jahre dauern wird. Aufzugtürme werden außen angesetzt, Fenster und Türen erneuert, Balkone renoviert und vieles mehr. Das kostet unterm Strich rund neun Millionen Euro. Von den Mietern gibt es immer wieder Beschwerden, auch Rechtsanwälte sind schon eingeschaltet worden. Zumal nach der Modernisierung saftige Mieterhöhungen fällig werden – eine Praxis, mit der Vonovia zuletzt bundesweit massiv in die Kritik geraten ist.

„Wir wissen, dass die Arbeiten mit erheblichen Belastungen für die Mieter verbunden sind“, sagt Pfefferkorn. Die Aufstockung sei dabei allerdings das kleinste Problem. Er räumt ein, dass es auf der Baustelle immer mal wieder Schwierigkeiten unterschiedlicher Art gegeben habe. Man stehe aber im engen Kontakt mit Mietern und Baufirmen. „Uns ist ja selbst daran gelegen, dass es gut und zügig voran geht“, sagt der Regionalbereichsleiter.

Mietminderung wegen der Baustelle

Für die Mieter soll es eine Mietminderung von zehn Prozent geben für die Zeit, in der wegen des Gerüsts die Balkone nicht nutzbar sind, hat Vonovia schriftlich angekündigt. Darüber hinaus werde es aber „analog zu anderen Baustellen auch hier noch etwas zusätzlich geben“, versichert Pfefferkorn. Die Mieter müssten sich nicht selbst darum kümmern, das passiere von alleine. Zudem seien schon einige Mieter bekannt, die als Härtefälle betrachtet würden und deshalb nicht die volle Mieterhöhung tragen müssten. Mieter während der Bauarbeiten im Bestand umzusiedeln sei außerdem schwierig.

Die ersten zusätzlichen Wohnungen unterm Dach sollen gegen Ende des Jahres bezogen werden. Günstig werden die Mieten allerdings nicht ausfallen. Die Preise werden je nach Ausstattung variieren – einige Wohnungen werden zum Beispiel über Einbauküchen verfügen. „Wir rechnen mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 14 Euro“, sagt Pfefferkorn.