Tanja und Jochen Rieger leben in Hoffeld und haben ein Stückle im Ramsbachtal. Dort halten sie seit Kurzem Hühner. Foto: Julia Bosch

Eine Familie aus Stuttgart-Degerloch hat 25 Hühner vor dem Schredder gerettet. Doch die Spaziergänger im Ramsbachtal reagieren gar nicht begeistert – und rufen die Polizei.

Degerloch - Die Idylle im Ramsbachtal zwischen Degerloch und Birkach passt nicht so recht zu den Geschichten, die Tanja und Jochen Rieger erzählen. Zwischen einem bunten Windrad und einem Windspiel tummeln sich 17 Hühner. Sie haben eine überdachte Sandkiste, um zu scharren, ein kleines Häuschen – und mitten in ihrem Gehege wächst ein üppiger Lavendelstrauch. In den Erzählungen der Riegers ist unterdessen die Rede von Hühnern, denen der Kopf abgeschlagen wird und deren restlicher Körper in Containern landet, um zu Tiermehl verarbeitet zu werden. Außerdem berichten sie davon, wie sich die Tiere in der Massenhaltung gegenseitig die Federn ausrupfen. Aus diesem Grund sahen die Hühner auch nicht schön aus, als die Familie sie vor Kurzem von einem Bauernhof bei Balingen abgeholt und ins Ramsbachtal gebracht hat.

„Wir hatten schon länger vor, Hühner vor dem sogenannten Ausstallen zu retten – also dann, wenn sie nicht mehr so viele Eier legen und nicht mehr rentabel für die Bauern sind“, sagt Tanja Rieger. Dann nämlich werden Hühner aus Bodenhaltung in der Regel zu Tiermehl verarbeitet. Um das zu verhindern, hat die fünfköpfige Familie rund vier Wochen lang auf ihrem Stückle ein Gehege samt Stall und Sandkasten gebaut, um dort das ausrangierte Federvieh zu halten.

Spaziergänger haben Geräusche aus dem Stall gehört

Als die Tiere dann da waren, reagierten viele Spaziergänger jedoch wenig begeistert, berichtet Jochen Rieger: „Da die Hühner zuvor noch nie den Himmel gesehen hatten, haben wir sie die ersten drei Tage im Stall gelassen, damit sie sich an ihre neue Umgebung gewöhnen können.“ Einige Spaziergänger müssen jedoch Geräusche aus dem Stall gehört haben: „Als wir dann zum Gehege kamen, hat ein Mensch an unserem Tor gerüttelt, ein anderer hatte die Tür bereits geöffnet.“ Die Riegers hat das geärgert: „Wir hätten gerne mit den Menschen gesprochen, wenn sie uns gefragt hätten. Aber einfach die Tür zu öffnen; das geht nicht.“

Als die Hühner dann nach und nach das Gehege erkundet haben, ließ der Aufruhr nicht nach: „Wir haben extra ein Schild aufgehängt und erklärt, warum dort nun Hühner leben und dass sie etwas nackt und verrissen aussehen, weil sie aus Massentierhaltung stammen“, sagt Jochen Rieger. Kurz darauf muss ein Spaziergänger das Schild abmontiert und die Familie beim Tierschutz angezeigt haben.

„Vergangene Woche kam die Polizei und machte Fotos von unseren Hühnern“, berichtet Jochen Rieger. Die Fotos wurden an einen ansässigen Tierarzt geschickt. Der wusste aber schon Bescheid und sagte, dass es nichts zu beanstanden gebe. Die Riegers haben trotzdem darauf bestanden, dass sich der Tierarzt die Tiere vor Ort ansieht, weil sie sich absichern wollten. „Der Tierarzt kam und sagte, dass alles picobello ist. Erst auf meine drängenden Nachfragen hat er uns noch ein Futtermittel empfohlen, wodurch die Federn schneller nachwachsen.“ Noch am selben Tag kaufte das Paar das entsprechende Futter – auch um die aufgeregten Gemüter zu beruhigen. „Uns hat schockiert, wie böse die Degerlocher reagiert haben“, sagt Tanja Rieger. „Und für uns war es schlimm, dass die Anzeige anonym erhoben wurde – wir hatten gar keine Chance, ins Gespräch zu kommen.“

Die Familie hält auch fünf Ziegen

Generell sind die Riegers keine Anfänger, was Tierhaltung und das Leben im Einklang mit der Natur angeht. Mutter und Vater sind in ländlichen Gegenden bei Sigmaringen aufgewachsen und halten im Ramsbachtal auch fünf Ziegen. Zudem probiert die Familie, sich so gut es geht selbst zu versorgen – etwa mit Gemüse aus dem eigenen Garten. Auch die Hühner aus dem Ramsbachtal werden irgendwann im Kochtopf der Familie landen, da sind die Riegers ehrlich: „Wir sind Fleischesser, aber wollen das verantwortungsvoll machen. Und wir möchten, dass unsere Kinder mit Tieren aufwachsen und auch mitbekommen, woher die Eier kommen“, sagt Jochen Rieger.

Wenn sich die Gemüter in Degerloch beruhigen, kann sich die Familie vorstellen, regelmäßig Hühnern aus Bodenhaltung im Ramsbachtal ein längeres Leben zu ermöglichen. „Wir waren der Meinung, dass wir die Gegend durch die Anwesenheit der Hühner auch aufwerten und den Spaziergängern etwas Gutes tun. Doch die Erfahrungen der vergangenen Wochen waren nicht motivierend.“ Nun kommt es darauf an, ob die Degerlocher die Hühner doch noch in ihre Herzen schließen können.