Viele Kinder lernen nicht mehr oder nur schlecht schwimmen. Kurse sind deshalb notwendig und gefragt – in Stuttgart gibt es deutlich zu wenig davon. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Bei den Stuttgarter Bäderbetrieben fluten die Beschwerden nur so herein. Der Grund: Viele Kurse von privaten Schwimmlehrern fallen ins Wasser. Angesichts des hohen Bedarfs geben besonders Eltern die Schuld der Stadt. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Stuttgart - Die Aufregung ist groß. Sowohl vom Hallenbad in Sonnenberg als auch in Heslach berichten Besucher unisono von merkwürdigen Szenen. Schwimmkurse bei Privatlehrern fallen dort reihenweise aus. Oft müssen die Teilnehmer unverrichteter Dinge wieder abziehen, in einem Fall sogar zusehen, wie der Schwimmlehrer vom Personal des Bades verwiesen wird. Die Begründung: Die Kurse sind nicht bei der Stadt angemeldet, es gibt keine Genehmigung.

„Das kann doch nicht wahr sein“, sagt eine empörte Mutter. Man bekomme bei den Bäderbetrieben selbst sowie bei Vereinen kaum einen Platz für die Kinder. Und das in Zeiten, in denen viele gar nicht mehr schwimmen können. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft hat bereits vor zwei Jahren vermeldet, dass rund 60 Prozent der Zehnjährigen im Wasser unsicher seien. Jede vierte Grundschule im Land bietet keinen Schwimmunterricht an, weil es an geeigneten Bädern oder an Personal fehlt.

Bei der Stadt stehen die Telefone deshalb kaum noch still. „Wir mussten in den vergangenen Wochen viele aufgeregte Eltern beruhigen“, sagt Jens Böhm. Der Sprecher der Bäderbetriebe berichtet von zahlreichen Unklarheiten und Halbwahrheiten und davon, dass sich auch verschiedene Fraktionen des Gemeinderats inzwischen ob der Aufgeregtheiten besorgt nach der Situation erkundigt hätten. Auch bei Sportbürgermeister Martin Schairer sind offenbar schon Beschwerden aufgeschlagen.

Bis dato keine einzige Genehmigung

Aufgekommen ist das Thema im Frühjahr, als in der ganzen Stadt über die geplanten neuen Öffnungs- und Nutzungszeiten für die Hallenbäder diskutiert worden ist. Da beschwerten sich auch private Schwimmlehrer, die Stadt habe sie in ihrem Konzept vergessen und torpediere ihre Arbeit. „Die wollen uns rausdrängen“, sagte eine Betroffene, die seit vielen Jahren unter Duldung der jeweiligen Schwimmmeister Unterricht in kleinen Gruppen anbietet. Die Bäderbetriebe reagierten überrascht, denn solche privaten Kurse in öffentlichen Bädern erfordern eigentlich eine Genehmigung. Erteilt worden war bis dato aber keine einzige. Dementsprechend galten alle Kurse als illegal.

Seither wird durchgegriffen – so wie in Sonnenberg und Heslach. „Unsere Beschäftigten sollen darauf achten, ob während der öffentlichen Badezeit Gäste einen privaten Schwimmkurs durchführen“, sagt Böhm. Diese Gäste würden dann angesprochen und darauf hingewiesen, dass für einen derartigen Kurs ein Vertrag mit dem Betreiber vorliegen muss. Die Resonanz darauf ist bisher äußerst gering. „Bis heute liegen uns neun konkrete Anfragen für ein bestimmtes Bad mit konkreten Angaben vor“, so der Sprecher. Betroffene gehen davon aus, dass bisher in manchen Bädern eine zweistellige Zahl von Anbietern unterwegs gewesen ist. Mancher private Lehrer soll hundert Schüler unterrichtet haben.

Der Großteil der Privatlehrer dürfte bisher also nicht reagiert haben. Für die Stadt liegt damit die Vermutung nahe, dass „möglicherweise mancher gar nicht über die geforderten Qualifikationen verfügt“. Dazu gehört eine Vielzahl von Nachweisen, unter anderem der Fähigkeit zur Ersten Hilfe und Rettung. „Das dürfte für verärgerte Eltern ja auch keine schöne Vorstellung sein, dass ihre Kinder womöglich von Leuten betreut werden, die die Eignung dafür gar nicht haben“, sagt Böhm.

Es fehlt an Plätzen

Aus Kreisen der privaten Schwimmlehrer ist dagegen zu hören, dass das Genehmigungsverfahren gar nicht allen bekannt gewesen und zudem kompliziert sei. Es würden auch Nachweise gefordert, die gerade für ältere Lehrerinnen und Lehrer nur schwer zu erbringen seien, obwohl sie die nötigen Qualifikationen hätten. Bemängelt wird außerdem die Preispolitik. Für eine Bahn im Bad wird pro Stunde offenbar ein Preis von rund 43 Euro verlangt. „Damit müsste ich meine Kursgebühren deutlich erhöhen. Bei uns geht es oft um Kleingruppen und individuellen Unterricht“, sagt eine Schwimmlehrerin.

Diese Argumentation stößt bei der Stadt auf Verwunderung. In den Gebühren sei der Eintritt für alle Beteiligten enthalten, heißt es da. Außerdem sei es eine übliche Vorgehensweise, dass Nutzungsentgelte zu zahlen sind, wenn Dritte Wasserflächen in öffentlichen Bädern nutzen. Diese Regelung gilt auch für Vereine und sogar öffentliche Schulen.

Die Stadt bietet selbst zahlreiche Schwimmkurse an, genauso die städtische Initiative Schwimmfit. Das reicht aber nicht aus. „Unsere Erfahrung zeigt, dass aktuell die Nachfrage nach Schwimmkursen das Angebot übersteigt“, räumt Böhm ein. Angesichts der zahlreichen Nutzer mit unterschiedlichen Interessen seien aber Grenzen gesetzt. Die Wasserflächen seien auch durch Schulen und Vereine „mehr als überbelegt“. Mittelfristig helfe deshalb nur der Aus- und Neubau, etwa des geplanten Sportbades im Neckarpark. Bis dahin bleibt die Lage schwierig – nicht nur für die privaten Schwimmlehrer und ihre Kunden.